Roland Bornhofen, Prof. Dr. Udo Bühler
Rz. 804
Der Bürge kann sich gegen die Inanspruchnahme aus der Bürgschaft nach den §§ 768 BGB (Einrede des Bürgen), § 770 BGB (Einrede der Anfechtbarkeit und der Aufrechenbarkeit) und § 771 BGB (Einrede der Vorausklage) wehren. Hierbei handelt es sich um dispositive Vorschriften, sodass ein Verzicht auf die genannten Einreden grundsätzlich möglich ist, um eine gegenüber den gesetzlichen Regelungen vereinfachte Rechtsdurchsetzung zu erreichen. Diese Möglichkeit des Gläubigers, seine Rechtsposition zu verbessern, ist bei in Formularverträgen vorformulierten Verzichtserklärungen jedoch von der Rechtsprechung erheblich eingeschränkt worden, wenn letztlich eine Annäherung zum gesetzlich nicht geregelten Garantievertrag stattfindet, dem regelmäßig ein erhöhtes Missbrauchsrisiko anhaftet. Soweit ein formularmäßiger Einwendungsverzicht gegen §§ 307 ff. BGB verstößt, hat dies gemäß § 306 BGB aber allein die Unwirksamkeit der Verzichtsklausel zur Folge. Ist allerdings der Einwendungsverzicht Bestandteil der Sicherungsabrede mit dem Hauptschuldner, so ist die Rechtsfolge wegen des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion die Unwirksamkeit der gesamten Sicherungsabrede. Auf die Unwirksamkeit der Sicherungsabrede kann sich schließlich auch der Bürge gemäß § 768 Abs. 1 S. 1 BGB berufen und die Leistung verweigern.
I. Verzicht auf die Einreden des Hauptschuldners (§ 768 Abs. 1 S. 1 BGB)
Rz. 805
§ 768 Abs. 1 S. 1 BGB bezweckt, dass der Bürge im Ergebnis nicht strenger haftet als der Hauptschuldner selbst. Ein umfassender formularmäßiger Verzicht hierauf kann nicht vereinbart werden. § 768 Abs. 1 S. 1 BGB bekräftigt die in § 765 und § 767 Abs. 1 S. 3 BGB verankerte allgemeine Akzessorietät der Bürgenschuld zur Schuld des Hauptschuldners und damit das in Abgrenzung zur Garantie und Mithaftungsübernahme charakteristische Merkmal der Bürgschaft. Der Bürge würde bei einem Verzicht strenger haften als der Hauptschuldner selbst. Eine derart weitreichende Haftung ist von einem Bürgen aber regelmäßig nicht beabsichtigt und mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung i.S.d. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht vereinbar. Würde man dies anders sehen, würde die Bürgschaft rechtsdogmatisch in eine Garantie verwandelt werden. Für eine Klausel, wonach ein Anerkenntnis des Hauptschuldners auch zulasten des Bürgen wirken soll, gilt dasselbe.
Rz. 806
Soweit die Geltendmachung einzelner Einreden ausgeschlossen wird, muss jeweils im Einzelfall geprüft werden, ob dadurch die Akzessorietät der Bürgenhaftung betroffen ist. Führt ein formularmäßiger Verzicht zu einer von der Hauptverbindlichkeit unabhängigen Haftung des Bürgen, kann auch der Ausschluss einer bestimmten Einrede die allgemeine Akzessorietät aushebeln und damit eine unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 BGB begründen. Ein formularmäßiger Verzicht auf Einreden, die den Bestand der Hauptverbindlichkeit betreffen, wie etwa die Einrede der fehlenden Fälligkeit, ist unwirksam. Gleiches gilt für einen Verzicht auf die Einrede der Verjährung der Hauptforderung vor dessen Fälligkeit.
Rz. 807
Ebenfalls unwirksam ist eine Klausel, wonach die Verjährung der Forderung gegen den Bürgen verlängert wird, indem etwa eine Hemmung oder der Neubeginn der Verjährung der Hauptschuld bewirkt wird. Dies wäre zum Beispiel der Fall, wenn ein Anerkenntnis des Hauptschuldners auch für und gegen den Bürgen wirken würde. Eine hierauf gerichtete Klausel verstößt gegen das in § 768 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommende Verbot der Fremddisposition und ist gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB unwirksam.
Rz. 808
Der BGH hält es für zulässig, wenn die Fälligkeit einer selbstschuldnerischen Bürgschaft durch eine vorformulierte Klausel im Bürgschaftsvertrag von einer Leistungsaufforderung der Bank abhängig gemacht wird, sodass erst dann die Verjährungsfrist zu laufen beginnt. Eine formularmäßige Fälligkeitsvereinbarung bewirkt, dass der Verjährungsbeginn der Bürgenschuld hinausgeschoben wird. Dies könnte zur Folge haben, dass die Hauptforderung schon verjährt ist, während die Bürgenforderung noch geltend gemacht werden kann, da die Klausel die Fälligkeit der Hauptforderung von der Bürgenforderung trennt. Das OLG Frankfurt hält eine solche Klausel daher für überraschend gemäß § 305c Abs. 1 BGB. Der Verjährungsbeginn würde von der Inanspruchnahme des Bürgen abhängig gemacht werden und dem gesetzlichen Leitbild der Bürgschaft widersprechen. Anders sah es das OLG Dresden. Die Bürgschaftsforderung werde – so die Auffassung des Gerichts – nach der neueren Rechtsprechung des BGH mit der Kündigung der Hauptschuld fällig, wenn im Bürgschaftsvertrag kein abweichender Fälligkeitszeitpunkt geregelt wurde. Da anerkannt sei, dass der Eintritt der Fälligkeit von einem Ereignis abhängig gemacht werden kann, insbesondere von der Bestimmung durch den Gläubiger oder ...