Roland Bornhofen, Prof. Dr. Udo Bühler
Rz. 2327
Der Aspekt, ob und inwieweit die Regelungen der VOB/B eine Privilegierung erfahren sollen, war jahrelang umstritten und zog eine Reihe von Urteilen des BGH nach sich. Zwischenzeitlich ist die Rechtslage seit der Einführung des Forderungssicherungsgesetzes weitgehend geklärt.
I. Rechtslage
Rz. 2328
Die ursprünglich im AGBG enthaltenen Befreiungen von der Inhaltskontrolle für zwei Regelungen der VOB/B, zu § 12 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B sowie zu § 13 Nr. 4 VOB/B, wurden im Zuge des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes in § 308 Nr. 5 und § 305 Nr. 8b ff BGB übernommen. Hinsichtlich dieser als Ausnahme gekennzeichneten Tatbestände war der Gesetzgeber der Auffassung, es lägen insgesamt ausgewogene Gesamtregelungen vor. Mit den durch das Forderungssicherungsgesetz geänderten BGB-Vorschriften kam es auch zu einer Klarstellung der Inhaltskontrolle betreffend die VOB/B. Diese Privilegierungsregelung für die VOB/B zum 1.1.2009 in § 310 Abs. 1 S. 3 sieht eine Ausnahme für den unternehmerischen Geschäftsverkehr vor. Gegenüber Unternehmen i.S.d. § 14 BGB, juristischen Personen des öffentlichen Rechts und Sondervermögen des öffentlichen Rechts wird mit § 310 Abs. 1 S. 3 BGB die gesamte VOB/B in der jeweils zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung einer Inhaltskontrolle entzogen. Voraussetzung ist jedoch, dass die Regeln der VOB/B ohne inhaltliche Abweichungen insgesamt in den Vertrag einbezogen werden. Die Inhaltskontrolle der VOB/B als Ganzes bleibt dennoch möglich. Diese Privilegierung bezieht sich ausdrücklich nicht auf Verträge, in denen ein Verbraucher Vertragspartner des Verwenders ist.
II. Rechtsprechung
Rz. 2329
Die Entscheidung des Gesetzgebers, eine Privilegierung der VOB/B ausschließlich für den unternehmerischen Geschäftsverkehr vorzusehen, und diese Privilegierung an die Verwendung der VOB/B als Ganzes zu knüpfen, basiert weitestgehend auf der Rechtsprechung des BGH. Ursprünglich sollte die VOB/B im Grundsatz der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB unterliegen. Die Rechtsprechung betonte, es komme darauf an, dass die VOB/B "im Kern" Vertragsgrundlage geblieben sei. Insofern berücksichtigte die Rechtsprechung, ob ein Eingriff in den "Kernbereich" der VOB/B vorliege.
Rz. 2330
Erst nach Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes am 1.1.2002 und der Überleitung der Regelungen des AGBG in das BGB änderte der BGH seine bis dahin gültige Rechtsprechung. Mit der Grundsatzentscheidung vom 22.1.2004 verließ der BGH die bis dahin vertretene Argumentationslinie und stellte fest, dass jede inhaltliche Abweichung von der VOB/B dazu führt, dass die VOB/B nicht mehr als Ganzes vereinbart ist. Damit hat der BGH nicht nur die Anforderungen an die Einbeziehung der VOB/B "als Ganzes" erhöht, sondern er ließ offen, ob überhaupt noch ein Sonderstatus für die Regelungen der VOB/B mit Blick auf die Inhaltskontrolle angenommen werden kann.
III. Stellungnahme
Rz. 2331
Die aktuelle Fassung des § 310 BGB berücksichtigt diese zuvor dargestellte neuere Rechtsprechung des BGH zur Reichweite der Privilegierung.
Rz. 2332
Es stellt sich hier demnach die Frage, wann keine VOB/B ohne inhaltliche Abweichung vorliegt. In der Regel sind bei Bauverträgen, die eine Anwendung der VOB/B vorsehen, diese Regelungen unter sprachlicher Änderung enthalten. Es ist daher erforderlich, zu untersuchen, inwieweit aufgrund der sprachlichen Modifikation auch eine Änderung des Inhalts der einzelnen VOB/B-Regelung vorliegt. Allein aufgrund der Tatsache, dass die entsprechende VOB/B-Regelung den Vertragsparteien eine abweichende sprachliche Gestaltung ermöglicht, kann nicht geschlossen werden, dass keinesfalls eine inhaltliche Modifikation der eigentlichen VOB/B-Regelung gegeben ist.
Rz. 2333
Insgesamt erscheint der zunächst vom BGH aufgegriffene Kompensationsgedanke, wonach nachteilige Regelungen durch vorteilhafte für die jeweilige Verwenderseite ausgeglichen werden können, nachvollziehbar. Zum einen lässt sich dies mit der Besetzung des Schaffungsorgans, dem Deutschen Vergabe- und Vertragsausschuss für Bauleistungen (DVA), begründen. Die Zusammensetzung des DVA, möglichst paritätische Vertretung der Auftraggeber- und Auftragnehmerinteressen, lässt diese Argumentation zu.
Rz. 2334
Darüber hinaus wird der Kompensationsgedanke immer wieder auf die Probe gestellt, indem die VOB/B sich einer ständigen Weiterentwicklung ausgesetz...