Roland Bornhofen, Prof. Dr. Udo Bühler
Rz. 1386
Leistungsvorbehalte können grundsätzlich zwei unterschiedliche Regelungsinhalte haben. Zum einen existieren Leistungsvorbehalte, die lediglich die Fälligkeit der vertraglich geschuldeten Leistung nach hinten verschieben. Die Wirksamkeit solcher Klauseln wird nach § 308 Nr. 1 BGB beurteilt. Zum anderen existieren "echte" Leistungsvorbehalte, die es dem Verwender erlauben sollen, sich vollständig von seiner Leistungspflicht zu befreien und daher nach Maßgabe von § 308 Nr. 3 BGB zu beurteilen sind.
I. Anwendbarkeit
Rz. 1387
Zur Anwendbarkeit im Falle der Beurteilung einer Klausel nach § 308 Nr. 1 BGB vgl. oben (siehe Rdn 1354).
Rz. 1388
Zur Anwendbarkeit im Falle der Beurteilung einer Klausel nach § 308 Nr. 3 BGB vgl. unten (siehe Rdn 1827 f.).
II. Wirksame Vereinbarung von Leistungsvorbehalten
Rz. 1389
Die sog. "echten" Leistungsvorbehalte sind in der Regel im unternehmerischen Geschäftsverkehr zu finden und regeln durch die Aufnahme von üblichen Formulierungen wie "freibleibend", "Zwischenverkauf vorbehalten" oder "Selbstbelieferung" die dem Verwender zustehende Möglichkeit, durch das vorbehaltene Geschäft von der Pflicht zur Leistung im Verhältnis zu seinem Vertragspartner frei zu werden. Die Vereinbarung eines solchen "echten" Leistungsvorbehalts kommt einem Rücktrittsvorbehalt sehr nahe und ist daher nach herrschender Ansicht nur unter den gleichen (strengen) Voraussetzungen zulässig. Die Klausel muss folglich einen hinreichenden sachlichen Grund für den Vorbehalt enthalten, der den beiderseitigen Interessen der Vertragsparteien angemessen Rechnung trägt und insbesondere für den Vertragspartner erkennen lässt, unter welchen konkreten Voraussetzungen der vereinbarte Vorbehalt zum Tragen kommt (vgl. Rdn 1826–1834).
Rz. 1390
Sonstige Leistungsvorbehalte, die es dem Verwender lediglich ermöglichen sollen, die Erbringung seiner Leistung, also deren Fälligkeit, hinauszuzögern, so z.B. durch die Formulierung "Lieferzeit vorbehalten" oder "Lieferzeit kann angemessen verlängert werden", sind an § 308 Nr. 1 BGB zu messen. Die mittels der Klausel eingeräumte Frist muss daher auch hier angemessen sein, was im Zweifel einer Abwägung der beiderseitigen Interessen bedarf. Zudem muss sich aus den Vorgaben der Klausel berechnen lassen (Bestimmtheit), wie lange die gewährte Frist im Einzelnen ist (vgl. oben Rdn 1360–1362).
Rz. 1391
Die Klausel "Bestellungen nehmen wir teilweise durch schriftliche Auftragsbestätigung (E-Mail, Fax, Brief) oder durch Warenübersendung an" verstößt gegen §§ 307, 308 Nr. 1 BGB und ist unzulässig, da die Klausel keine für den Vertragspartner bestimmbare Frist für die Annahme bzw. Ablehnung des Vertragsangebots und die anschließende Leistung enthält und der Verwender damit die Möglichkeit hat, das Angebot auch noch zu einem Zeitpunkt anzunehmen, zu dem der Kunde mit einer Annahme nicht mehr rechnen muss (vgl. §§ 147 ff. BGB). Ebenfalls unwirksam, da zu unbestimmt, ist eine Klausel, die festschreibt, dass die "Lieferzeit in der Regel ein bis zwei Tage bei DHL-Versand betrage", auch kann die grundsätzliche "Unverbindlichkeit von Lieferfristen" nicht wirksam vereinbart werden.
Rz. 1392
Wirksam kann hingegen die Klausel "die Lieferung erfolgt in der Regel sofort nach Zahlungseingang" sein, da die Formulierung "in der Regel" lediglich bedeutet, dass nicht immer vollständig gewährleistet werden kann, dass die Versendung sofort erfolgt. Hiermit rechnet der verständige Verbraucher ohnehin, dem bewusst ist, dass es im Geschäftsverkehr fast unvermeidlich zu vereinzelten Verzögerungen kommen kann. Der Verwender dieser AGB-Klausel muss daher regelmäßig sofort liefern und kann nur dann, wenn vereinzelt unvorhergesehene Schwierigkeiten auftreten, eine etwaige Verzögerung unter Berufung auf die Klausel rechtfertigen.