Roland Bornhofen, Prof. Dr. Udo Bühler
Rz. 2067
Das MÜ gilt nach seinem Art. 1 für die internationale Beförderung von Gütern; das ist eine solche, bei der Abgangsort und Bestimmungsort in den Vertragsstaaten liegen. Es ist unerheblich, ob dazwischen eine Unterbrechung der Beförderung oder ein Flugzeugwechsel stattfindet; sie kann auch dann als einheitliche Leistung vereinbart werden, wenn sie von mehreren aufeinanderfolgenden Luftfrachtführern auszuführen ist. Das MÜ gilt nicht, sofern entweder Abgangsort oder Bestimmungsort oder beide außerhalb der Vertragsstaaten liegen. Es gilt auch nicht, wenn beide im selben Vertragsstaat, insbesondere in Deutschland, liegen. In diesen Fällen gilt, soweit deutsches materielles Recht anzuwenden ist, das Frachtrecht des HGB.
Rz. 2068
Nach Art. 27 MÜ ist der Luftfrachtführer nicht gehindert, Vertragsbedingungen festzulegen, die dem MÜ nicht widersprechen. Dieses ist also grundsätzlich zwingend, insbesondere was die Haftung der Luftfrachtführer gemäß Art. 26 und 47 MÜ betrifft. Art. 27 MÜ gestattet dem Luftfrachtführer weiterhin (zu seinen Ungunsten) auf Einwendungen zu verzichten, die ihm nach dem MÜ zur Verfügung stünden. Dies sind etwa Haftungsausschlussgründe gemäß Art. 18 Abs. 2 MÜ, das Mitverschulden gemäß Art. 20 MÜ, die Präklusion gemäß Art. 31 MÜ und der Ablauf der Ausschlussfrist gemäß Art. 35 MÜ. Diese Vereinbarungen können auch durch AGB getroffen werden.
Rz. 2069
Das MÜ regelt indessen das Luftfrachtrecht nicht abschließend. Es regelt etwa nicht die Verjährung, soweit nicht die Ausschlussfrist des Art. 35 MÜ reicht. Es ist umstritten, ob insoweit deutsches Frachtrecht über § 449 HGB hinaus abbedungen werden kann.
Rz. 2070
In der Praxis begegnen Regelwerke, die auf den "Cargo Services Conference Resolutions – Recommended Practice 1601" der IATA beruhen. Dazu gehören die ABB der Lufthansa Cargo AG.
Rz. 2071
Die Einbeziehung solcher Regelwerke in den Frachtvertrag regelt sich, wo deutsches materielles Recht anzuwenden ist, nach §§ 305 ff. BGB. Sie wird überdies nach Art. 11 Abs. 1 MÜ widerlegbar vermutet, wenn die Regelwerke im Frachtbrief "niedergelegt" sind, wozu eine bloße Verweisung trotz des englischen Textes "mentioned therein" nicht ausreichen soll.
Rz. 2072
Die Inhaltskontrolle bei diesen Regelwerken richtet sich nach §§ 307 ff. BGB. Höchstrichterliche Rechtsprechung zu den ABB Cargo ist seit Ratifizierung des MÜ nicht bekannt geworden. Gegen einzelne Klauseln in den ABB bestehen Bedenken. Mit den ABB der Lufthansa für die Personen- und Gepäckbeförderung hat sich der BGH zweimal befasst.