Roland Bornhofen, Prof. Dr. Udo Bühler
1. Der Vorrang der halbzwingenden Vorschriften des Wohnraummietrechtes
Rz. 1504
Neben der Generalklausel des § 138 BGB (Verbot der Sittenwidrigkeit und des Wuchers) gelten mietrechtliche Nebenbestimmungen in den Gesetzen für den preisgebundenen Wohnraum, deren Regelungen nicht der Vertragsdisposition der Parteien unterliegen. Wesentlich für das Wohnraummietrecht sind allerdings die zahlreichen sogenannten halbzwingenden Vorschriften die die Vertragsfreiheit in der Weise eingeschränken, dass "eine zum Nachteil des Mieters von Wohnraum abweichende Vereinbarung […] unwirksam" ist.
Rz. 1505
Hierdurch hat der Gesetzgeber nicht abänderbares Recht geschaffen und auf diese Weise die Vertragsfreiheit für die Parteien eingeschränkt. Es handelt sich insbesondere um Vorschriften, die das Mietpreisrecht und den Kündigungsschutz des Mieters von Wohnraum betreffen. Im Einzelnen sind dies (Gesetzesstand 1.4.2017) die nachfolgenden Vorschriften:
Rz. 1506
Die Möglichkeit, durch Formularklauseln von den gesetzlichen Bestimmungen des Wohnraummietrechtes abzuweichen, besteht daher nur bezüglich der disponiblen Regelungen im allgemeinen Teil des Mietrechtes, §§ 535–548 BGB. Volle Vertragsfreiheit besteht auch für die besonderen Mietverhältnisse nach § 549 Abs. 2 und dort, wo der Gesetzgeber spezielle Öffnungsbestimmungen zugelassen hat, zum Beispiel § 555f BGB oder § 556b Abs. 1 BGB. Mithin beziehen sich allgemeine Geschäftsbedingungen in Wohnraummietverträgen in der Regel darauf, die gesetzlichen Bestimmungen, in denen der Gesetzgeber den Parteien Vertragsfreiheit gibt, zugunsten des Vermieters abzuändern. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die aus § 535 Abs. 1 BGB folgenden Kernpflichten des Vermieters. Diese Kernpflichten besagen:
Rz. 1507
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Der Vermieter ist verpflichtet, die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen. |
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Der Vermieter ist verpflichtet, die Mietsache während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten. |
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Der Vermieter ist verpflichtet, die auf der Mietsache ruhenden Lasten zu tragen. |
2. Einzelfälle
a) Klauseln zur Überlassung der Mietsache
Rz. 1508
Eine Formularklausel, nach der das Mietverhältnis mit der Fertigstellung des Gebäudes beginnt, ist unwirksam, wenn sich nicht durch Auslegung des Mietvertrages ein bestimmter Anfangstermin ergibt.
Rz. 1509
Klauseln, nach denen der Mieter den mangelfreien Zustand der Mietsache bei Mietbeginn bestätigt oder anerkennt, sind im Hinblick auf § 309 Nr. 12b BGB unwirksam.
Rz. 1510
Eine Klausel, mit der ein Wohnraummieter bestätigt, die Mieträume eingehend besichtigt und in ordnungsgemäßem Zustand übernommen zu haben, ist als sogenannte Bestätigungs- oder Besichtigungsklausel gemäß § 309 Nr. 12b BGB unwirksam, da der Vermieter die Beweislast für die Mängelfreiheit der Mietsache bei Übergabe sowie für die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Mieters von Mängeln trägt und diese Beweislast durch die genannte Tatsachenbestätigungen zulasten des Mieters verschoben wird.
Rz. 1511
Auch eine Klausel, nach der die Mietwohnung als mangelfrei übernommen gilt, wenn das vereinbarte Übergabeprotokoll nicht gefertigt wird, ist gemäß § 309 Nr. 12b BGB unwirksam.
Rz. 1512
Der Vermieter kann seine Verpflichtung zur Übergabe einer Mietwohnung nicht wirksam davon abhängig machen, dass der Mieter die Kaution und/oder die erste Miete vollständig gezahlt hat, da dies hinsichtlich der Kaution gegen § 551 BGB und hinsichtlich der Vorauszahlung der Miete vor Übergabe gegen das Verbot des vertraglichen Ausschlusses des Minderungsrechts gemäß §§ 536 Abs. 4 BGB, 307 BGB verstößt.
Rz. 1513
Eine Klausel, wonach der Vermieter für die rechtzeitige Übergabe der Mieträume nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit haften soll, verstößt gegen § 307 BGB und ist unwirksam. Im Wohnraummietrecht ist eine solche Klausel auch unwirksam, soweit sie sich auf den Ausschluss der Haftung für leichte Fahrlässigkeit bezieht, sobald das Schadensrisiko für den Mieter in tatsächlicher Hinsicht nicht beherrschbar ist. Grund dafür ist, dass der Wohnraummieter auf die Gründe, die zur Nichtüberlassung oder verspäteten Überlassung der Mietsache führen, keinen unmittelbaren Zugriff hat.