Roland Bornhofen, Prof. Dr. Udo Bühler
1. Kriterien zur Inhaltskontrolle
a) Prüfungsmaßstab
Rz. 2292
Soweit formularmäßige Vertragsstrafeversprechen nicht dem Anwendungsbereich von § 309 Nr. 6 BGB unterfallen, unterliegen sie der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB. Eine unangemessene Benachteiligung im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn der Klauselverwender missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne die des Vertragspartners von vornherein hinreichend zu berücksichtigen. Dies bestimmt sich grundsätzlich anhand eines von den Besonderheiten des Einzelfalls losgelösten, generellen Prüfungsmaßstabs unter Zugrundelegung einer typisierenden Betrachtungsweise.
Rz. 2293
Die Wirksamkeit von Vertragsstrafeklauseln, die gegenüber Verbrauchern verwendet werden, ist anhand folgender Kriterien zu beurteilen:
b) Angemessene Höhe der Vertragsstrafe
Rz. 2294
Eine Vertragsstrafe ist unangemessen hoch angesetzt und damit nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam, wenn die Sanktion außer Verhältnis zum Gewicht des Vertragsverstoßes und zu dessen Folgen für den Vertragspartner steht. Mit § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unvereinbar ist daher, wenn für eine Vielzahl möglicher Verletzungen eine einheitlich hohe Strafe ohne Rücksicht auf die Art und Schwere des Verletzungsfalls, Verschuldensausmaßes und Schadensumfangs vorgesehen ist. Eine absolute Obergrenze für zulässige Vertragsstrafen gibt es nicht. Der im Bereich des unternehmerischen Verkehrs entwickelte Gedanke, die Vertragsstrafe dürfe den Gewinn bzw. den Verdienst des Schuldners nicht aufzehren, lässt sich auf Strafversprechen von Verbrauchern in der Regel nicht übertragen. Doch stellt die ausbedungene Vertragsstrafe eine für die absehbare Zukunft existenzgefährdende Größenordnung dar, wird sie die den Bereich eines gegenüber Verbrauchern zulässigen Druckmittels regelmäßig übersteigen. Bei sich im Lauf der Zeit und bei wiederholter Pflichtverletzung summierenden Vertragstrafen wird daher in aller Regel die Angabe einer Obergrenze erforderlich sein.
c) Kumulationsverbot
Rz. 2295
Die Klausel muss vorsehen, dass eine vom Schuldner verwirkte und an den Gläubiger gezahlte Vertragsstrafe im Einklang mit §§ 340 Abs. 2, 341 Abs. 2 BGB auf Schadensersatzansprüche des Gläubigers anzurechnen ist, da sie andernfalls eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB darstellt.
d) Vertragsstrafenvorbehalt
Rz. 2296
Nach § 341 Abs. 3 BGB ist der Gläubiger bei Erfüllungsannahme – etwa der Annahme der Zahlung des Schuldners auf die Schlussrechnung – zur Geltendmachung der Vertragsstrafe nur berechtigt, wenn er sich das Recht hierzu bei der Erfüllungsannahme vorbehält. Eine Klausel, durch welche der Schuldner auf einen solchen Vertragsstrafenvorbehalt verzichtet, ist nach § 307 BGB unwirksam.
e) Ausschluss der Schadenspauschalierung
Rz. 2297
Eine unangemessene Benachteiligung des Schuldners durch eine Vertragsstrafeklausel wird in der Regel anzunehmen sein, wenn es dem Gläubiger möglich ist, seine Schadensersatzansprüche stattdessen zu pauschalieren.
f) Verschuldensabhängigkeit
Rz. 2298
Bei einer verschuldensunabhängigen Verwirkung einer Vertragsstrafe liegt wegen der Abweichung vom gesetzlichen Leitbild des § 339 BGB grundsätzlich eine unangemessene Benachteiligung des Schuldners mit der Folge der Unwirksamkeitsvermutung nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB vor. Die Wirksamkeit der formularmäßigen Vereinbarung verschuldensunabhängiger Vertragsstrafen ist nur in Ausnahmefällen bei Vorliegen eines besonderen Bedürfnisses des Klauselverwenders gegeben. Kein solcher Ausnahmefall wird z.B. für Webhosting-AGB durch die Gefahr einer illegalen Verwendung der vom Verwender zur Verfügung gestellten Software und damit einhergehenden Urheberrechtsverstößen begründet.
Rz. 2299
Kann eine Vertragsstrafe nur verschuldensabhängig wirksam vereinbart werden, sollte das Verschuldenserfordernis in gegenüber Verbrauchern gestellten Vertragsstrafeklauseln ausdrücklich aufgenommen sein. Zwar dürfte eine formularmäßige Vertragsstrafenabrede, die ein Verschulden des Schuldners nicht erwähnt (klassisch "für jeden Fall der Zuwiderhandlung"), regelmäßig dahin zu verstehen sein, dass das Verschuldenserfordernis als gesetzliches Leitbild vorausgesetzt wird. Doch hat z.B. das OLG Koblenz eine entsprechende Klausel als verschuldensunabhängige Vertragsstrafenabrede ausgelegt und damit im Hinblick auf § 339 S. 2 BGB für ...