Roland Bornhofen, Prof. Dr. Udo Bühler
Rz. 1150
Gemäß § 92c Abs. 1 HGB kann im Verhältnis zu Handelsvertretern, die ihren Tätigkeitsbereich außerhalb der EU und der weiteren Staaten des EWR haben (Island, Norwegen, Liechtenstein), von allen Bestimmungen der §§ 84–92b HGB abgewichen werden. Sie stehen also zur Disposition der Parteien. § 92c HGB findet nur Anwendung, wenn der Handelsvertretervertrag deutschem Sachrecht unterliegt. In diesem Fall gelten grundsätzlich auch §§ 305 ff. BGB.
Rz. 1151
Es bestehen keine Bedenken, Abweichungen von den §§ 84–92b HGB bei Handelsvertretern, die ihren Tätigkeitsbereich außerhalb der EU und der weiteren Staaten des EWR haben, grundsätzlich auch AGB-mäßig zuzulassen. §§ 84 ff. HGB wurden vom Gesetzgeber auf die von ihm als "Normalfall" angesehene Situation zugeschnitten, dass Prinzipal und Handelsvertreter im Inland tätig sind. Sie passen nach Auffassung des Gesetzgebers nicht ohne Weiteres auf die Verhältnisse im Ausland. Außerdem löste der deutsche Gesetzgeber durch § 85 Abs. 2 HGB a.F. (jetzt § 92c HGB) auch einen Interessenkonflikt zwischen deutschen exportorientierten Unternehmen und ihren Handelsvertretern in Drittstaaten zugunsten der deutschen Unternehmen. Beide Zwecke würden verfehlt, wenn man AGB-mäßige Abreden, die die durch § 92c HGB eingeräumte Dispositionsfreiheit nutzen, im Regelfall für unwirksam hielte.
Rz. 1152
Die §§ 84–92b HGB können auch nicht zum Maßstab für eine Unangemessenheitskontrolle gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB gemacht werden. Der deutsche Gesetzgeber hat durch § 92c Abs. 1 HGB gerade zum Ausdruck gebracht, dass er den deutschen Prinzipal im Verhältnis zu seinen in Drittstaaten tätigen Handelsvertretern nicht zwingend den Beschränkungen der §§ 84–92b HGB unterwerfen will. Dem liefe es zuwider, wenn man deren Regelungsgehalt auf dem Umweg über die notwendige Berücksichtigung ihrer "wesentlichen Grundgedanken" (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) wieder einführen würde. Das wäre gerade im internationalen Rechtsverkehr nachteilig, wo wortgetreue Rechtsklarheit eine noch größere Rolle spielt, als in nationalen Rechtsbeziehungen zwischen Vertragsparteien, die mit dem anwendbaren heimischen Recht vertraut sind.
Rz. 1153
Unberührt bleibt freilich die Inhaltskontrolle nach sonstigen Vorschriften des deutschen Rechts, die die Vertragsfreiheit beschränken, wie zum Beispiel das Verbot von Knebelverträgen (§ 138 BGB).
Rz. 1154
Unberührt bleiben auch die besonderen Regeln über AGB-mäßig vereinbarte Wettbewerbsbeschränkungen und Vertragsstrafen zu deren Absicherung. Insoweit kommt auch eine Kontrolle durch das nationale Kartellrecht des Drittstaates in Betracht, in dem der Handelsvertreter seine Tätigkeit auszuüben hat. Sollte die dem Handelsvertreter auferlegte Wettbewerbsbeschränkung über den sich aus der Interessenwahrnehmungspflicht (§ 86 HGB) oder § 90a HGB (nachvertraglicher Wettbewerbsbeschränkung) gesetzten Rahmen hinausgehen und den Handel zwischen Mitgliedstaaten der EWG beeinträchtigen, können diese Einschränkungen des Handelsvertreters auch gegen Art. 101 AEUV verstoßen.