Roland Bornhofen, Prof. Dr. Udo Bühler
Rz. 805
§ 768 Abs. 1 S. 1 BGB bezweckt, dass der Bürge im Ergebnis nicht strenger haftet als der Hauptschuldner selbst. Ein umfassender formularmäßiger Verzicht hierauf kann nicht vereinbart werden. § 768 Abs. 1 S. 1 BGB bekräftigt die in § 765 und § 767 Abs. 1 S. 3 BGB verankerte allgemeine Akzessorietät der Bürgenschuld zur Schuld des Hauptschuldners und damit das in Abgrenzung zur Garantie und Mithaftungsübernahme charakteristische Merkmal der Bürgschaft. Der Bürge würde bei einem Verzicht strenger haften als der Hauptschuldner selbst. Eine derart weitreichende Haftung ist von einem Bürgen aber regelmäßig nicht beabsichtigt und mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung i.S.d. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht vereinbar. Würde man dies anders sehen, würde die Bürgschaft rechtsdogmatisch in eine Garantie verwandelt werden. Für eine Klausel, wonach ein Anerkenntnis des Hauptschuldners auch zulasten des Bürgen wirken soll, gilt dasselbe.
Rz. 806
Soweit die Geltendmachung einzelner Einreden ausgeschlossen wird, muss jeweils im Einzelfall geprüft werden, ob dadurch die Akzessorietät der Bürgenhaftung betroffen ist. Führt ein formularmäßiger Verzicht zu einer von der Hauptverbindlichkeit unabhängigen Haftung des Bürgen, kann auch der Ausschluss einer bestimmten Einrede die allgemeine Akzessorietät aushebeln und damit eine unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 BGB begründen. Ein formularmäßiger Verzicht auf Einreden, die den Bestand der Hauptverbindlichkeit betreffen, wie etwa die Einrede der fehlenden Fälligkeit, ist unwirksam. Gleiches gilt für einen Verzicht auf die Einrede der Verjährung der Hauptforderung vor dessen Fälligkeit.
Rz. 807
Ebenfalls unwirksam ist eine Klausel, wonach die Verjährung der Forderung gegen den Bürgen verlängert wird, indem etwa eine Hemmung oder der Neubeginn der Verjährung der Hauptschuld bewirkt wird. Dies wäre zum Beispiel der Fall, wenn ein Anerkenntnis des Hauptschuldners auch für und gegen den Bürgen wirken würde. Eine hierauf gerichtete Klausel verstößt gegen das in § 768 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommende Verbot der Fremddisposition und ist gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB unwirksam.
Rz. 808
Der BGH hält es für zulässig, wenn die Fälligkeit einer selbstschuldnerischen Bürgschaft durch eine vorformulierte Klausel im Bürgschaftsvertrag von einer Leistungsaufforderung der Bank abhängig gemacht wird, sodass erst dann die Verjährungsfrist zu laufen beginnt. Eine formularmäßige Fälligkeitsvereinbarung bewirkt, dass der Verjährungsbeginn der Bürgenschuld hinausgeschoben wird. Dies könnte zur Folge haben, dass die Hauptforderung schon verjährt ist, während die Bürgenforderung noch geltend gemacht werden kann, da die Klausel die Fälligkeit der Hauptforderung von der Bürgenforderung trennt. Das OLG Frankfurt hält eine solche Klausel daher für überraschend gemäß § 305c Abs. 1 BGB. Der Verjährungsbeginn würde von der Inanspruchnahme des Bürgen abhängig gemacht werden und dem gesetzlichen Leitbild der Bürgschaft widersprechen. Anders sah es das OLG Dresden. Die Bürgschaftsforderung werde – so die Auffassung des Gerichts – nach der neueren Rechtsprechung des BGH mit der Kündigung der Hauptschuld fällig, wenn im Bürgschaftsvertrag kein abweichender Fälligkeitszeitpunkt geregelt wurde. Da anerkannt sei, dass der Eintritt der Fälligkeit von einem Ereignis abhängig gemacht werden kann, insbesondere von der Bestimmung durch den Gläubiger oder einen Dritten, sei eine Fälligkeitsregelung in den AGB eines Bürgschaftsvertrags weder überraschend gemäß § 305c Abs. 1 BGB noch verstoße sie gegen § 307 BGB. Richtig ist zwar, dass der Anspruch aus der Bürgschaft selbstständig verjährt und auch ein abweichender Fälligkeitszeitpunkt vereinbart werden kann, allerdings ging es in dem vom BGH zu entscheidendem Sachverhalt um eine selbstschuldnerische Bürgschaft mit der Besonderheit, dass nach der Klausel die Bank den Hauptschuldner zunächst erfolglos in Anspruch genommen haben muss. Hierauf hat das Gericht in den Urteilsgründen abgestellt. Das Erfordernis einer vorherigen Inanspruchnahme des Hauptschuldners ist möglicherweise geeignet, einen Interessenausgleich im Falle einer selbstschuldnerischen Bürgschaft herzustellen, sodass eine unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 Abs. 1 BGB in diesem Fall nicht besteht. In den Fällen, in denen ohnehin eine Pflicht zur vorherigen Inanspruchnahme des Hauptschuldners besteht, kann dies aber nicht als Argument für die Wirksamkeit der Klausel bemüht werden. Eine formularmäßige Fälligkeitsvereinbarung, mit der der Verjährungsbeginn in das Ermessen des Gläubigers gestellt wird, ohne einen etwaigen Ausgleich zu schaffen, ist gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. Sie beinhaltet einen – wenn auch nur bedingten – Verzicht auf die Einrede der Verjährung. Zudem läuft eine solche Regelung der gesetzlichen Wertung des § 202 Abs. 2 BGB zumindest seit der Schuldrechtsreform zuwider. Hiernach kann die ...