Roland Bornhofen, Prof. Dr. Udo Bühler
1. Objektive Auslegung
Rz. 1089
AGB sind "nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden". Entstehungsgeschichte oder individuelle oder einzelfallbezogene Umstände des Vertragsschlusses sind grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Auszugehen ist vom Wortlaut. Der Grundsatz beiderseitiger Interessengerechtigkeit ist zu beachten. Verbleibende Zweifel gehen zulasten des Verwenders (§ 305c Abs. 2 BGB). "Völlig fern liegende" Auslegungsmöglichkeiten haben außer Betracht zu bleiben. Verbleiben mehrere Auslegungsmöglichkeiten, so gilt:
(1) |
Ist die Bestimmung bei allen in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten wirksam, so ist sie im Sinne der Auslegung zu verstehen, die die Rechtsstellung der anderen Vertragspartei, im Regelfall den Handelsvertreter, am wenigsten beeinträchtigt. Erlaubt beispielsweise ein vom Prinzipal gestelltes nachvertragliches Wettbewerbsverbot mehrere Auslegungen, unter denen es Bestand hat, so ist diejenige Auslegung maßgeblich, nach der das Wettbewerbsverbot für einen möglichst kleinen geografischen und sachlichen Bereich gilt. Das ist die in einem solchen Fall "zulasten des Verwenders" gehende Auslegung, die von § 305c Abs. 2 BGB gefordert wird. |
(2) |
Ist die Bestimmung hingegen bei einer der in Betracht kommenden Auslegungen unwirksam, so ist ein Verständnis der Klausel in dem die Unwirksamkeit begründenden Sinn die zulasten des Verwenders gehende Auslegung. Ist beispielsweise das vorerwähnte Wettbewerbsverbot bei enger Auslegung wirksam, bei weiter Auslegung jedoch unwirksam, so wird es "zulasten" des Prinzipals ausgelegt, wenn man es im weiten Sinn versteht; denn in diesem Fall ist es unwirksam und begründet keine Einschränkungen für den Handelsvertreter. Die weite Auslegung, die dem Handelsvertreter nach ihrem Wortlaut die stärksten Beschränkungen auferlegt, ist nicht notwendigerweise "kundenfeindlich". In Wirklichkeit mag sie ihn begünstigen, weil die weite Auslegung das Wettbewerbsverbot gänzlich zu Fall bringt, während eine enge Auslegung das Wettbewerbsverbot in wenigstens eingeschränktem Umfang halten würde. |
2. Transparenz
Rz. 1090
AGB müssen "klar und verständlich" sein. Erfüllen sie das Transparenzgebot nicht, können sie schon deshalb die andere Vertragspartei unangemessen benachteiligen und sind dann unwirksam (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB). Die Klausel muss die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen, die sich daraus für die andere Vertragspartei ergeben, soweit erkennen lassen, "wie dies nach den Umständen gefordert werden kann". Der durchschnittliche Vertragspartner des Verwenders muss ohne Einholung von Rechtsrat die ihn benachteiligenden Wirkungen einer Klausel erkennen können. Der Umstand, dass ein AGB-mäßiger Hauptvertrag 33 Anlagen enthält, stellt freilich noch nicht per se eine Verletzung des Transparenzgebotes dar. Auf die Frage, ob eine dem Transparenzgebot nicht entsprechende Klausel die andere Vertragspartei inhaltlich unangemessen beeinträchtigt, kommt es nicht an; die unangemessene Benachteiligung ergibt sich bereits aus der Intransparenz.
Rz. 1091
Im Übrigen ist die Abgrenzung der Fälle intransparenter Klauseln von den Fällen, in denen Klauseln mehrdeutig und deshalb in dem für den Verwender nachteiligsten Sinn zu verstehen sind, nicht immer ganz scharf zu treffen. Im Ergebnis ist dies auch nur relevant, wenn alle in Betracht kommenden Auslegungen zur Wirksamkeit einer Klausel führen würden: In solchen Fällen wird die Mehrdeutigkeit einer Klausel als solche deren Intransparenz begründen.
Rz. 1092
Im Einzelfall kann streitig sein, ob eine AGB-Bestimmung hinreichend klar und deutlich ist. Die Umschreibungen der Rechtsprechung können nur Anhaltspunkte geben. Übertreibungen sind zu vermeiden. Es reicht nicht, dass durch eine vielleicht spitzfindige Auslegung Zweifel aufgeworfen werden:
Zitat
"Die Unklarheitenregel kommt […] nicht schon dann zur Anwendung, wenn Streit über die Auslegung besteht. Voraussetzung ist vielmehr, dass nach Ausschöpfung der in Betracht kommenden Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel bleibt und mindestens zwei Auslegungen rechtlich vertretbar sind."
Rz. 1093
Unmittelbare Preisabreden unterliegen nicht der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle. Das betrifft insbesondere die Provisionssätze, aber auch die Höhe der Einstandsgebühr, die der Handelsvertreter häufig als Gegenleistung für die Überlassung eines eingeführten Vertretungsbezirks zahlen muss. Das Transparenzgebot gilt aber auch insoweit...