Roland Bornhofen, Prof. Dr. Udo Bühler
1. Sachlicher Anwendungsbereich
Rz. 586
Bei der Frage, ob Regelungen in Getränkelieferungsverträgen AGB-Charakter zukommt, sind die Voraussetzungen des § 305 Abs. 1 BGB zu prüfen. Abgrenzungsfragen ergeben sich insbesondere im Zusammenhang mit den Tatbestandsvoraussetzungen der Vorformulierung, des Vielzahlkriteriums und des Stellens bzw. Aushandelns. Zu denken ist an die Fallgruppen: Mustertexte, insbesondere Verbandsmuster, Vertragserstellungsprogramme, notarielle Vereinbarungen, Regelungsalternativen und ergänzungsbedürftige Regelungen.
Rz. 587
Zwar mag der äußere Schein auf einen Formularvertrag hindeuten. Im Zusammenhang mit Getränkelieferungsverträgen erfolgt aber durchweg aus betriebswirtschaftlichen und rechtlichen Erwägungen eine längere Phase des Ver- bzw. Aushandelns der verschiedenen Aspekte der langjährigen Zusammenarbeit. Zu den zumeist individualvertraglich getroffenen Vereinbarungen gehören u.a. Regelungen hinsichtlich der Vertragspartner (Stellung, Haftung, Verantwortlichkeit etc.), der finanziellen und sonstigen Leistungen des Getränkelieferanten (Art, Höhe, Verzinsung, Rückführung etc.), Sicherheitenabsprachen (Art der Sicherheit, Sicherungsumfang, ggf. Freigabe, ergänzende Absprachen etc.), Inhalt und Umfang der Ausschließlichkeitsbindung (Objekt, räumliche Umschreibung der Bezugsverpflichtung, Sortiment, (Teil-)Ausschließlichkeit, Laufzeit, Neu- oder Anschlussregelung, vereinbarte Jahresmindestbezugsmenge etc.).
Rz. 588
Für ein individuelles Aushandeln i.S.d. § 305 Abs. 1 S. 3 BGB bedarf es auch bei einer Eigentümererklärung, die dem äußeren Erscheinungsbild nach eine von dem Getränkelieferanten gestellte AGB ist, eines konkreten Vortrags des darlegungspflichtigen Getränkelieferanten.
2. Persönlicher Anwendungsbereich
Rz. 589
Der als Vertragspartner des Getränkelieferanten (Brauerei, Getränkefachgroßhändler etc.) auftretende Gastwirt übt, selbst wenn er nicht im Handelsregister eingetragener Kaufmann ist, eine gewerbliche Tätigkeit aus und ist damit Unternehmer i.S.d. §§ 310 Abs. 1, 14 BGB. Ob § 310 Abs. 1 BGB auch anzuwenden ist, wenn der Vertragspartner durch den Abschluss eines Formularvertrags erstmals Kaufmann wird, kann im Hinblick auf einen zweiten Vertrag dahinstehen, wenn dieser erst abgeschlossen wurde, als der Gastwirt bereits seit rund zwei Jahren Betreiber des Objekts war.
Rz. 590
Durch Abschluss eines Getränkelieferungsvertrags wird der Gastwirt – auch bei erstmaliger Tätigkeit – gewerblich tätig, sodass AGB-rechtlich § 14 BGB einschlägig ist und damit kein Verbrauchervertrag i.S.d. § 310 Abs. 3 vorNr. 1 BGB vorliegt. Verträge eines Existenzgründers, die der erstmaligen Aufnahme unternehmerischer Tätigkeiten dienen, unterliegen daher nicht der vollen Inhaltskontrolle. AGB-rechtlich liegt daher Unternehmenhandeln vor.
Rz. 591
Handelt es sich bei dem Getränkelieferungsvertrag dagegen um einen Vertrag mit einem nicht selbst bewirtschaftenden Hauseigentümer sowie Mithaftenden, etwa GmbH-Geschäftsführern oder GmbH-Gesellschaftern und damit Verbrauchern (§ 13 BGB), so beurteilt sich die AGB-rechtliche Inhaltskontrolle nach den §§ 307, 308 und 309 BGB.
3. Einbeziehung
Rz. 592
Bestimmungen, mit denen der Gastwirt redlicherweise nicht oder nicht an dieser Stelle des Formularvertrags rechnen konnte und musste und die als überraschend anzusehen (Rechtsgedanke des § 305c Abs. 1 BGB) sind, werden von vornherein nicht Vertragsbestandteil.