Roland Bornhofen, Prof. Dr. Udo Bühler
Rz. 255
Erweiterungen der Aufrechnungsbefugnis kommen insbesondere im geschäftlichen Verkehr zwischen Unternehmern vor. Sofern derartige Regelungen formularmäßig vereinbart sind, sind sie nicht an § 309 Nr. 3 BGB zu messen, sondern an § 307 BGB. Einen häufigen Fall der Erweiterung der Aufrechnungsbefugnis stellen Konzernverrechnungsklauseln dar, mit denen das Erfordernis der Gegenseitigkeit abbedungen wird. Sie kommen in zwei Varianten vor: Zum einen kann der Verwender regeln, dass nicht nur er gegenüber Forderungen des Geschäftspartners aufrechnen darf, sondern auch die Unternehmen, die dem Konzern des Verwenders zuzurechnen sind. Zum anderen kann geregelt werden, dass der Verwender selbst mit Forderungen von konzernzugehörigen Unternehmen aufrechnen kann. Nach herrschender Meinung können derartige Konzernverrechnungsklauseln individualvertraglich wirksam vereinbart werden.
Rz. 256
Bei der formularmäßigen Verwendung gegenüber Verbrauchern sind Konzernverrechnungsklauseln unwirksam. Über die Wirksamkeit derartiger Klauseln im geschäftlichen Verkehr besteht keine Einigkeit. Der BGH hat diese Frage bisher offengelassen. Das OLG Frankfurt hat in einer Entscheidung aus dem Jahre 2003 eine Konzernverrechnungsklausel im geschäftlichen Verkehr für wirksam gehalten, wenn die Forderungen klar umgrenzt sind und das einzige in Bezug genommene Unternehmen in die Vertragsbeziehungen der Parteien mit einbezogen ist. Der wohl überwiegende Teil der Literatur hält diese Klauseln entweder generell für unwirksam, oder jedenfalls dann, wenn sie pauschal die Aufrechnung mit Gegenforderungen konzernzugehöriger Unternehmen erlauben, ohne den Kreis der relevanten Unternehmen näher zu präzisieren. Nicht überzeugend ist das in diesem Zusammenhang angeführte Argument, dass mit dem im Zuge der Schuldrechtsreform eingeführten gesetzlichen Verbot der Erstreckung des Eigentumsvorbehalts auf Forderungen von Konzernunternehmen in § 449 Abs. 3 BGB sich Konzernverrechnungsklauseln nicht mehr halten ließen. Beide Institute lassen sich nicht vergleichen, weil im Falle des Konzerneigentumsvorbehalts der Vertragspartner trotz Erfüllung der Verbindlichkeiten gegenüber dem Verwender Gefahr läuft, das Eigentum nicht zu erhalten, weil gegenüber anderen Konzernunternehmen noch Verbindlichkeiten bestehen, er also u.U. weit mehr als den Kaufpreis zahlen müsste, bevor er das Eigentum am Kaufgegenstand erhält. Die gesetzliche Anordnung der Nichtigkeit einer derartigen vertraglichen Bestimmung ist daher geboten. Die Gefahr der Überzahlung des Kaufpreises stellt sich bei Konzernverrechnungsklauseln indes nicht, da die gegenseitigen Forderungen erlöschen und dem Verwender gerade kein zusätzliches Druckmittel überlassen ist.
Rz. 257
Sachgerecht dürfte es sein, Konzernverrechnungsklauseln im geschäftlichen Verkehr dann als wirksam anzusehen, wenn sie die Unternehmen, mit deren Gegenforderungen aufgerechnet werden darf, konkret bezeichnen, der Kreis der einbezogenen Unternehmen nicht zu weit gezogen ist und der Vertragspartner erkennen kann, welche Forderungen betroffen sein sollen. In einem derartigen Fall kann die Klausel kaum als überraschend i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB angesehen werden. Wenn die von den Klauseln betroffenen Konzernunternehmen in die Vertragsbeziehungen der Parteien einbezogen sind, spricht dies entscheidend gegen die Unangemessenheit der Klausel.
Rz. 258
Im Falle der Insolvenz des Vertragspartners entfaltet die Konzernverrechnungsklausel jedoch keine Wirkung. Die Aufrechnung, die der Verwender nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestützt auf eine Konzernverrechnungsklausel mit Forderungen von Konzernunternehmen gegen den Vertragspartner erklärt, ist analog § 96 Abs. 1 S. 2 InsO unwirksam. § 94 InsO bezweckt zwar den Erhalt der bereits bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegebenen Aufrechnungslage. Nach Auffassung des BGH ist dies bei einer auf eine Konzernverrechnungsklausel gestützten Aufrechnung nicht der Fall, solange die Aufrechnung nicht erklärt worden ist, weil erst dann feststehe, welches der Konzernunternehmen von der Aufrechnungsmöglichkeit Gebrauch macht. Außerdem würde die Ausweitung der Aufrechnungsmöglichkeiten zu einer Schmälerung der Insolvenzmasse führen, was dem Grundgedanken der Insolvenzordnung, die Masse im Interesse der Gläubigergleichbehandlung zusammenzuhalten, widerspräche.