Roland Bornhofen, Prof. Dr. Udo Bühler
Rz. 2284
Zum Schutz des Schuldners vor überhöhten Vertragsstrafeforderungen sieht § 343 BGB vor, dass unverhältnismäßig hohe Vertragsstrafen durch Urteil herabgesetzt werden können. Diese Vorschrift findet auf Vertragsstrafeversprechen, die von Kaufleuten im Betrieb ihres Handelsgewerbes abgegeben werden, allerdings keine Anwendung (§ 348 HGB).
Rz. 2285
Erhebliche Risiken für den Schuldner ergeben sich insbesondere aus der Verwendung formularmäßiger Vertragsstrafeklauseln, da sie den AGB-Verwender in die Lage versetzen, seine Vertragspartner in unangemessener Weise zu benachteiligen. Vertragsstrafen können unabhängig vom Eintritt eines tatsächlichen Schadens geltend gemacht werden und verschaffen dem Klauselverwender dadurch die Möglichkeit, sich auf Kosten seiner Vertragspartner ungerechtfertigt zu bereichern. Ferner können Vertragsstrafeversprechen bewirken, dass der Vertragspartner zu unwirtschaftlichen Handlungen veranlasst wird, um die Zahlung der Vertragsstrafe zu vermeiden. Zwar konnte sich die Forderung nach einem generellen Verbot von Vertragsstrafeklauseln im Geschäftsverkehr mit Verbrauchern im Gesetzgebungsverfahren nicht durchsetzen, doch verbietet § 309 Nr. 6 BGB die Verwendung von Vertragsstrafeklauseln gegenüber Verbrauchern für bestimmte, im Gesetz ausdrücklich genannte Fallkonstellationen (siehe hierzu Rdn 2291 und die Kommentierung zu § 309 Nr. 6).
Rz. 2286
Neben § 309 Nr. 6 BGB bestehen weitere spezialgesetzliche Verbots- oder Gebotsnormen, welche individualvertragliche oder formularmäßige Vertragsstrafevereinbarungen entweder untersagen oder deren mögliche wirksame Ausgestaltung beschränken. Beschränkungen enthalten beispielsweise § 10 GasGVV und § 10 StromGVV für Energielieferverträge mit Haushaltskunden sowie § 23 AVBFernwärmeV und § 23 AVBWasserV für Vertragsverhältnisse über Wärme- bzw. Wasserlieferungen. Nach § 555 BGB sind Vereinbarungen unwirksam, durch die dem Mieter eine Vertragsstrafe auferlegt wird. Eine ähnliche Regelung enthält § 2 Abs. 5 Nr. 1 FernUSG für Fernunterrichtsverträge. Danach sind Vertragstrafen zulasten des Teilnehmers unwirksam. § 12 Abs. 2 Nr. 2 BBiG sieht vor, dass Vertragstrafen in Berufsausbildungsverträgen nichtig sind.
Rz. 2287
AGB-Klauseln, die den vorgenannten Vorschriften zuwiderlaufen, verstoßen gegen § 307 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB. Auch ansonsten unterliegen Vertragsstrafeklauseln im Geschäftsverkehr mit Verbrauchern, die nicht vom Klauselverbot des § 309 Nr. 6 BGB erfasst werden, einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB. Dies ist insbesondere für Vertragsstrafeklauseln in Arbeitsverträgen von Bedeutung, die vom BAG nach § 307 BGB beurteilt werden (vgl. hierzu Rdn 2301 ff.).
Rz. 2288
Anders als bei Verbrauchern kann die Verwendung von Vertragsstrafeklauseln gegenüber Unternehmern durchaus sinnvoll sein, da Vertragsstrafen ein wirksames Mittel darstellen, den Vertragspartner zur Erfüllung seiner Vertragspflichten anzuhalten und dem AGB-Verwender den Schadensnachweis zu ersparen. Insbesondere zur Absicherung von Unterlassungsverpflichtungen, wie z.B. im Wettbewerbsrecht oder im Rahmen von Vertraulichkeitsvereinbarungen, bieten meist nur Vertragsstrafen einen hinreichenden Schutz. § 309 Nr. 6 BGB findet deshalb im Geschäftsverkehr mit Unternehmern keine Anwendung. Gleichwohl besteht auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr die Gefahr, dass Vertragsstrafeklauseln missbräuchlich eingesetzt werden. Insofern ist die Wirksamkeit von Vertragsstrafeklauseln in diesem Bereich an § 307 BGB zu messen (siehe hierzu Rdn 2306 ff.).