Roland Bornhofen, Prof. Dr. Udo Bühler
1. Laufzeit und § 305 Abs. 1 BGB
Rz. 614
Im Zusammenhang mit Getränkelieferungsverträgen bedarf es einer besonders sorgfältigen Prüfung im Einzelfall, ob eine Laufzeitregelung als AGB i.S.d. § 305 Abs. 1 BGB angesehen werden kann. Vor diesem Hintergrund ist es nur erklärlich, wenn gerade von häufiger mit Fragen des Getränkelieferungsvertrags befassten Gerichten festgestellt wird, es spreche eine tatsächliche Vermutung für ein individuelles Aushandeln der Laufzeit i.S.d. § 305 Abs. 1 S. 3 BGB. Auch mögen ungewöhnliche ("krumme") Laufzeiten (konkret 11 Jahre und 10 Monate) und das maschinenschriftliche Einsetzen dieser Laufzeit für eine Individualabrede sprechen. Ergibt sich die Laufzeit erst mittelbar aus der vertraglich vereinbarten Abschreibung des gestellten Inventars und der Menge des bezogenen Bieres, so spricht dies ebenfalls gegen eine formularmäßige Laufzeitregelung. Ein Aushandeln der Laufzeit liegt dann nicht vor, wenn der Getränkelieferant die Laufzeit nachträglich in den vorgedruckten Vertragstext maschinenschriftlich einsetzt und den Vertrag dem Gastwirt zur Unterzeichnung zuschickt, ohne dass vorher über die Laufzeit gesprochen worden ist. Es fehlt dann eine Bereitschaft zur Verhandlung über den – von dem Getränkelieferanten einseitig festgelegten – Vertragsinhalt.
2. § 307 Abs. 3 BGB
Rz. 615
Sollte der AGB-Charakter einer Laufzeitregelung in einem Getränkelieferungsvertrag festgestellt werden können, so ist zu fragen, ob § 307 Abs. 3 BGB nicht einer Inhaltskontrolle entgegensteht. Nach hier vertretener Auffassung dürften Laufzeitregelungen bei Getränkelieferungsverträgen über § 307 Abs. 3 BGB einer Inhaltskontrolle entzogen sein.
3. § 309 Nr. 9a BGB
Rz. 616
Die Zweijahreslaufzeitschranke des § 309 Nr. 9a BGB hat im Regelfall bei Getränkelieferungsverträgen keine praktische Bedeutung. Abreden über die Laufzeit des Vertrags sind regelmäßig Individualabreden, sodass der Verbotstatbestand von § 309 Nr. 9a BGB schon aus sachlichen Gründen (§ 305 Abs. 1 BGB) nicht herangezogen werden kann. Die AGB-rechtliche Inhaltskontrolle scheitert insofern in der Praxis weit überwiegend an der Unternehmereigenschaft der Gastwirte und Getränkehändler (§§ 310 Abs. 1 S. 1, 14 Abs. 1 BGB). Auch der Existenzgründer ist AGB-rechtlich Unternehmer. Der persönliche Anwendungsbereich des § 309 Nr. 9a BGB ist nur dann eröffnet, wenn Getränkelieferungsvereinbarungen mit Verbrauchern (§ 13 BGB) geschlossen werden. Zu denken ist an Verträge mit Hauseigentümern sowie Schuldübernahme oder -beitrittserklärungen von GmbH-Geschäftsführern, GmbH-Gesellschaftern, (Ehe-)Partnern und Familienangehörigen. Dann bedarf es allerdings einer besonders sorgfältigen Prüfung, ob die vorgenannten Personen überhaupt eine Verpflichtung zur Getränkeabnahme in eigener Person übernehmen.
4. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB
Rz. 617
Zu fragen ist, ob die Laufzeitgrenze des Art. 5 Abs. 1a VO Nr. 330/2010 im Rahmen des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB Schranken ziehende Wirkung hat. Da sich die vereinbarte zehnjährige Laufzeit der Getränkebezugsverpflichtung im Rahmen der Höchstlaufzeiten des Art. 8 Abs. 1d VO Nr. 1984/83 hielt, konnte der BGH es dahinstehen lassen, ob der dort genannten Höchstlaufzeit Leitbildfunktion zukomme. Da die Laufzeit zumeist individuell vereinbart ist, kommt dem Meinungsstreit keine große praktische Bedeutung zu. Dies auch deshalb, weil es seit dem 1.6.2000 im europäischen Kartellrecht für Getränkelieferungsverträge keine speziellen Laufzeitschranken mehr gibt.