Roland Bornhofen, Prof. Dr. Udo Bühler
1. Allgemeines
Rz. 2306
Im unternehmerischen Geschäftsverkehr findet § 309 Nr. 6 BGB gemäß § 310 Abs. 1 S. 1 BGB keine Anwendung. § 309 Nr. 6 BGB ist insoweit auch keine Indizwirkung beizumessen. Die Wirksamkeitsprüfung von Vertragsstrafeklauseln erfolgt daher ausschließlich nach § 307 BGB. Die Angemessenheitskontrolle nach § 307 BGB hat dabei nach einer generalisierenden Betrachtungsweise zu erfolgen. Demnach müssen sich Vertragsbedingungen über Vertragsstrafen daran messen lassen, ob sie generell und typischerweise in derartigen Verträgen, für die sie vorformuliert werden, angemessen sind. Im Vordergrund einer Vertragsstrafenkontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB stehen insbesondere die Angemessenheit der Höhe einer Vertragsstrafe, die Beachtung des Kumulationsverbots, die Zulässigkeit der eventuellen Verschuldensunabhängigkeit einer Vertragsstrafe im Einzelfall sowie die Unzulässigkeit eines Verzichts auf den Vertragsstrafenvorbehalt nach § 341 Abs. 3 BGB.
2. Angemessene Höhe der Vertragsstrafe
Rz. 2307
Auch unter Berücksichtigung des legitimen Interesses des unternehmerischen Klauselverwenders, die ordnungsgemäße Vertragserfüllung mit einem wirksamen Druckmittel zu sanktionieren, muss eine Verhältnismäßigkeit zwischen der Höhe der Vertragsstrafe und der durch diese sanktionierten Pflichtverletzung des Schuldners sowie der wirtschaftlichen Folgen einer Vertragsstrafe für diesen bestehen. Die Schöpfung neuer, vom Sachinteresse des Verwenders losgelöster Geldforderungen ist nicht Sinn der Vertragsstrafe. Eine solch unwirksame Übersicherung ist z.B. anzunehmen, wenn die Vertragsstrafe den Wert des durch die strafbewehrte Pflicht geschützten Gegenstands ganz erheblich übersteigt oder die Verletzung einer Nebenpflicht mit einer Strafe belegt wird, die erheblich über dem eigentlichen Leistungsinteresse liegt.
Rz. 2308
Die unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass für eine Vielzahl möglicher Verletzungen eine einheitlich hohe Strafe ohne Differenzierung nach Art, Schwere und Dauer des Verletzungsfalls vorgesehen ist.
Rz. 2309
Einen wirtschaftlich nicht mehr vertretbaren Druck sieht die Rechtsprechung auf einen Schuldner außerdem dann als ausgeübt an, wenn durch die Verwirkung der Vertragsstrafe dessen Verdienst bzw. Gewinn vollständig aufgezehrt würde. So stellt beispielsweise die in einem vorformulierten Vertragshändlervertrag vereinbarte Vertragsstrafe eine unangemessene Benachteiligung des Vertragshändlers dar, wenn sie nahezu dessen gesamten Jahresverdienst aus der Absatzmittlung von Neufahrzeugen ohne Rücksicht auf ein Verschulden, eine Abmahnung, die Auswirkungen und den Zeitraum der Pflichtverletzung umfasst. Ähnliche Entscheidungen sind zu Bierlieferungs-, Automatenaufstell- und Tankstellenpachtverträgen ergangen.
Rz. 2310
Richtet sich – wie bei Bauverträgen häufig – die Höhe der Vertragsstrafe nach einem bestimmten Prozentsatz der Auftragssumme je Arbeitstag, muss die Abrede aus den soeben dargestellten Gründen – unabhängig vom Umfang des Auftrags – eine Begrenzung nach oben aufweisen. Der entsprechende Hinweis in einer Fußnote genügt für die Vereinbarung einer Obergrenze nicht. Im Übrigen muss entscheidend darauf abgestellt werden, welche Sachverhalte die jeweilige Strafklausel erfasst. In AGB-Bauverträgen hat der BGH einerseits Tagessätze von 0,1 %, 0,2 % und 0,3 % bei einer Obergrenze der Vertragsstrafe von 10 % der Auftragssumme für zulässig erachtet, andererseits Tagessätze von 0,5 % des Gesamtauftragswerts ungeachtet einer Obergrenze als unwirksam angesehen. Während der BGH bei diesen Verträgen lange Zeit eine Obergrenze von 10 % der Auftragssumme unbeanstandet gelassen hat, sieht er den Auftragnehmer nunmehr durch den Verlust von über 5 % seines Vergütungsanspruchs typischerweise als unangemessen belastet an. Bei im Verzugsfall an Kalendertage anknüpfenden Einsatzvertragsstrafen ist zu berücksichtigen, dass diese bezogen auf Arbeitstage (Montag bis Freitag) oder Werktage (Montag bis Samstag) tatsächlich nochmals höher ausfallen.
Rz. 2311
Ist dagegen im Rahmen von AGB-Gebrauchsüberlassungsverträgen, wie z.B. gewerblichen Mietverträgen, die Pflicht zur fortlaufenden Gebrauchsgewährung strafbewehrt, hält der BGH eine Obergrenze für nicht erforderlich, weil das Druckmittel, als das die Vertragsstrafe legitimerweise dienen soll, sonst entscheidend entwertet würde. Danach genügt hier eine angemessene Relation zwischen den Auswirkungen des Vertragsverstoßes und der Höhe der Vertragsstrafe.