Roland Bornhofen, Prof. Dr. Udo Bühler
1. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB und Verschulden
Rz. 686
Auch im Unternehmerverkehr kann eine verschuldensunabhängige Vertragsstrafe nur dann wirksam vereinbart werden, wenn gewichtige Umstände die Abweichung vom dispositiven Gesetzesrecht mit Recht und Billigkeit noch vereinbar erscheinen lassen, die Haftung des Vertragsstrafenschuldners also durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB i.V.m. §§ 339 S. 1, 286 Abs. 4 BGB). Eine Vertragsklausel des Inhalts, dass die Vertragsstrafe bei Einstellung des Getränkebezugs fällig wird ohne (ausdrücklichen) Hinweis auf das erforderliche Verschulden ist deshalb wegen Verstoßes gegen das gesetzliche Leitbild des Verschuldens (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB i.V.m. §§ 339 S. 1, 286 Abs. 4 BGB) unwirksam. Im Übrigen dürfte es bereits an einer wirksamen Einbeziehung i.S.d. § 305c Abs. 2 BGB fehlen. Zwar kann das Verschuldenserfordernis durch AGB abbedungen werden, wenn bei dem betreffenden Vertragstyp gewichtige Gründe für eine verschuldensunabhängige Haftung vorliegen. Diese Voraussetzung ist aber bei Getränkelieferungsverträgen nicht erfüllt. Als gewichtiges Verwenderinteresse genügt jedenfalls nicht schon das allgemeine Interesse an der Sicherung der Vertragserfüllung.
2. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB
Rz. 687
Im Unternehmerverkehr unterliegen Vertragsstrafenklauseln der Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB. Dabei ist allerdings die größere Geschäftsgewandtheit von Unternehmern zu berücksichtigen.
Rz. 688
Hinsichtlich der formularmäßigen Vereinbarung einer Vertragsstrafe für den Fall einer Verletzung der Ausschließlichkeitsbindung bestehen grundsätzlich keine Wirksamkeitsbedenken. Der Getränkelieferant hat das Recht, seine Rechte aus der Bezugsbindung des Kunden durch eine Vertragsstrafe abzusichern.
Rz. 689
Nur vereinzelt enthalten Getränkelieferungsverträge Schadensersatz- und Vertragsstrafenklauseln nebeneinander. Dann ist die Anrechnungspflicht nach §§ 340 Abs. 2, 341 Abs. 2 BGB zu beachten, unabhängig davon, ob Schadensersatz wegen Nichterfüllung oder wegen Schlechterfüllung verlangt wird. Eine unzulässige Kumulation von Schadensersatzanspruch bei Minderabnahme und Vertragsstrafe bei Fremdbezug liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn in der Vertragsstrafenregelung eine Anrechnung des geschuldeten Schadenersatzes vorgesehen ist.
Rz. 690
Aus der Höhe einer Vertragsstrafe kann sich ihre Unangemessenheit ergeben. Zwar darf die Vertragsstrafe spürbar sein, um ihren Zweck als Druckmittel zu erfüllen. Sie darf aber nicht die wirtschaftliche Existenz des Vertragspartners gefährden oder in einer unangemessenen Relation zum Gewicht der Vertragsverletzung stehen. Auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit begegnet die Vertragsstrafe jedenfalls dann keinen Bedenken, wenn sie den Gewinn bei vertragsgemäßem Verhalten nicht übersteigt. Die Vertragsstrafe darf nämlich nicht der Schöpfung neuer Geldquellen des Verwenders dienen.
Rz. 691
Eine vorformulierte, zu hoch bemessene Vertragsstrafe ist nichtig. Sie kann nicht nach den allein auf Individualvereinbarungen zugeschnittenen Regeln des § 343 Abs. 1 BGB herabgesetzt werden, weil dies eine der AGB-Kontrolle wesensfremde Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles erforderte. § 348 HGB schließt die Anwendbarkeit von § 343 BGB ohnehin aus. Eine Herabsetzung nach § 343 BGB kommt auch deshalb nicht in Betracht, weil diese eine grundsätzlich wirksame, nur für die konkrete Störung zu hohe Vertragsstrafenvereinbarung voraussetzt. Auch bestünde die Gefahr, dass das Gesetz leerlaufen würde.
Rz. 692
Angesichts der für AGB-Bestimmungen gebotenen abstrakt-generellen Wirksamkeitskontrolle führt die zu weit gehende Regelung auch dann zur Nichtigkeit der gesamten Klausel, wenn in der konkreten Fallgestaltung die hohe Vertragsstrafe sogar angemessen sein könnte. Denn eine geltungserhaltende Reduktion auf das noch vertretbare Regelmaß lässt sich nicht durch eine sprachliche Trennung der Klausel herstellen und kommt im Übrigen nicht in Betracht.