Roland Bornhofen, Prof. Dr. Udo Bühler
A. Allgemeines
Rz. 1305
Die Laufzeit von Verträgen unterliegt unterschiedlichen Regelungen, abhängig davon, ob der unternehmerische oder der verbraucherbezogene Bereich berührt ist.
Rz. 1306
Letzterer ist in § 309 Nr. 9 BGB teilweise für bestimmte Dauerschuldverhältnisse geregelt; für außerhalb dieses Bereichs liegende Dauerschuldverhältnisse im privaten Rechtsverkehr wie auch Dauerschuldverhältnisse im unternehmerischen Bereich bleibt der Rückgriff auf § 307 BGB erhalten.
B. Gerechtigkeitsgehalt der GVOs
Rz. 1307
Die Vertikal-GVO (Gruppenfreistellungsverordnung) sieht derzeit grundsätzlich eine Laufzeit bis zu fünf Jahren vor. Auch wenn diese GVO nur beschränkt anwendbar ist, kommt der Wertung des EU-Gesetzgebers gleichwohl eine Bedeutung zu mit der Folge, dass diese Wertung in der Inhaltskontrolle nach dem AGB-Recht zu beachten ist. Verstößt in einem Bezugsvertrag die Laufzeitregelung gegen die Schirm-GVO, weil sie über fünf Jahre hinausgeht, so ist diese Klausel unwirksam und erfasst den gesamten Vertrag nach den Grundsätzen von § 139 BGB. Eine geltungserhaltende Reduktion auf einen Fünf-Jahres-Vertrag kommt nicht in Betracht, weil so die Sanktion aus Art. 101 Abs. 1 AEUV leer liefe.
Rz. 1308
In einem solchen Vertrag über den Bezug von Schmierstoffen hat der BGH nun eine Revision nicht angenommen und das Urteil des OLG München bestätigt: eine Bezugsbindung über fünf Jahre wurde zu Recht nach § 307 BGB als unwirksam angesehen.
Rz. 1309
Ein Vertrag mit unzulässig langer Laufzeit wird nicht etwa auf eine Laufzeit von fünf Jahren geltungserhaltend reduziert. Vielmehr greift dispositives Recht ein: Was gilt ohne die Laufzeitvereinbarung?
Rz. 1310
Ohne Laufzeitregelung wäre der Vertrag auf einen einmaligen Austausch gerichtet; es läge kein Dauerschuldverhältnis vor, sondern ein (einmaliger) Austauschvertrag. Da es für einen solchen Austauschvertrag an der Festlegung der essentialia negotii fehlt, ist solch ein Vertrag insgesamt nichtig.
Rz. 1311
Eine ergänzende Vertragsauslegung kann bei der Unwirksamkeit von AGB grundsätzlich nicht erfolgen, da hierdurch das Risiko der Verwendung ähnlich einer verbotenen geltungserhaltenden Reduktion teilweise auf den Vertragspartner verlängert würde.
Rz. 1312
Die Einräumung von Kündigungsmöglichkeiten sieht das dispositive Recht nur im Falle von § 620 Abs. 2 BGB beim Dienstvertrag vor. Dies ist mangels vergleichbarer Rechtslage nicht (auch nicht analog) anwendbar bei Bezugsverträgen. Der Rumpfvertrag ist letztlich hier nicht ergänzbar. Zutreffend der BGH: "Der Verwender einer unzulässigen Formularbestimmung muss sich … mit der ihm ungünstigsten Regelung begnügen, die der ersatzlose Wegfall der von ihm verwendeten unzulässigen AGB zur Folge hat."
Rz. 1313
Von der geltungserhaltenden Reduktion ist die bei Teilbarkeit einer Klausel mögliche Streichung eines Teils der Klausel zu unterscheiden. Ist etwa ein Klammerzusatz unklar, so kann nur der Klammerzusatz gestrichen werden. Eine Teilbarkeit ist hier jedoch nicht gegeben.
Rz. 1314
Langfristige Laufzeitklauseln können bei ausreichender Kompensation noch wirksam sein: Bei einer Kaufpreisverbilligung von 50 % kann eine 20-jährige Verpflichtung, das Grundstück zu nutzen, noch wirksam sein. Eine 30-jährige Laufzeit für die Vermietung einer Freifläche für einen Mobilfunkmast wird auch nicht dadurch wirksam, dass nach 20 Jahren eine Kündigungsmöglichkeit vereinbart wurde.
Rz. 1315
Laufzeitregelungen sind kontrollfähig, weil ohne diese kein Dauerschuldverhältnis oder ein solches mit bestimmten Kündigungsfristen bestehen würde. Die Kündigung eines Unterrichtsvertrags nur mit fünfmonatiger Kündigungsfrist zum Semesterende verstößt gegen § 309 Nr. 9 BGB.
Rz. 1316
Zum Kündigungsverzicht bei der Studentenwohnung ist der Rechtsprechung des BGH nicht uneingeschränkt zu folgen: Einen Kündigungsverzicht von zwei oder gar vier Jahren hält der Senat grundsätzlich für möglich, bei einem studentischen Mieter jedoch für unangemessen. Ein Kündigungsausschluss im Mietvertrag darf gerechnet vom Zeitpunkt des Vertragsschlusses vier Jahre jedoch nicht überschreiten. Überschreitet der Kündigungsverzicht diesen Zeitraum, so kann die Klausel nicht geltungserhaltend reduziert werden. Natürlich kann im Rahmen des AGB-Rechts danach differenziert werden, ob Verbraucher oder Gewerbetreibende Vertragspartner sind. Ebenfalls kann die Art des Rechtsgeschäfts wie auch die Art der Ware (neu oder gebraucht) eine Rolle spielen. Ob der Vertragspartner Rentner, Student, Arbeiter oder Akademiker, Inländer oder Ausländer ist, ist jedoch nach den Wertungen des AGB-Rechts nicht relevant. Im Verbandsverfahren könnte ja auch nicht beantragt werden, die Klausel bei Verwendung gegenüber Studenten für unwirksam zu erklären. In diesen Fällen gibt es die Möglichkeit, die Berufung auf eine generell wirksame Klausel als Verstoß gegen § 242 BGB anzusehen. Wird § 557a Abs. 3 S. 2 BGB dagegen wierderholt, ist eine derartige Klausel nicht zu beanstanden.