Roland Bornhofen, Prof. Dr. Udo Bühler
56.1
A. Rücktrittsvorbehalte (Grundsatz des § 308 Nr. 3 BGB)
Rz. 1826
Ein Rücktrittsvorbehalt i.S.v. § 308 Nr. 3 BGB liegt immer dann vor, wenn durch AGB auch noch nach erfolgtem Vertragsschluss die Möglichkeit eingeräumt werden soll, eine nachträgliche Lösung vom Vertrag einseitig vorzunehmen. Ein Rücktrittsvorbehalt kann – aufgrund der grundsätzlichen Bindungswirkung von Vertragsschlüssen – nur wirksam vereinbart werden, wenn gemäß § 308 Nr. 3 BGB in der Klausel hinreichend begründet ist, für welchen Fall ein solches Lösungsrecht vom Vertrag vereinbart wird und sich bereits aus der Klausel deutlich ergibt, dass ein sachlich gerechtfertigter Grund für die Aufnahme der Lösungsmöglichkeit in den Vertrag gegeben ist. In Ergänzung zu den Vorschriften des § 308 Nr. 1, 2 und 7 BGB dient auch § 308 Nr. 3 BGB dem Schutz des Interesses der Parteien an der ordnungsgemäßen Durchführung eines geschlossenen Vertrags ("pacta sunt servanda") und schränkt daher die Möglichkeit zum Vorbehalt eines einseitigen Lösungsrechts mittels AGB deutlich ein.
I. Anwendbarkeit
Rz. 1827
§ 308 Nr. 3 BGB ist grundsätzlich auf alle Arten von Verträgen anwendbar. Eine Ausnahme macht § 308 Nr. 3 BGB, indem die Norm im zweiten Halbsatz die Anwendbarkeit auf Dauerschuldverhältnisse ausschließt. Die Wertungen des § 308 Nr. 3 BGB sowie der RL 93/13/EWG können jedoch innerhalb der Prüfung der Konformität einer entsprechenden AGB-Klausel in Dauerschuldverhältnissen nach § 307 BGB zumindest als Leitbild berücksichtigt werden. Berücksichtigt werden muss im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen jedoch stets, dass bei entsprechend langfristigen Verträgen häufig eine Situation eintritt, bei der es schneller/einfacher gerechtfertigt und angemessen ist, den Vertrag aufzulösen oder zumindest anzupassen. Ein solches Interesse kann dann auch schon in AGB bzw. der entsprechenden Lösungsklausel abgebildet werden.
Rz. 1828
Zusätzlich aus dem Anwendungsbereich ausgenommen sind die in § 310 Abs. 2 und 4 BGB aufgeführten Verträge, insbesondere Verträge der Elektrizitäts-, Gas-, Fernwärme- und Wasserversorgungsunternehmen über die Versorgung von Sonderabnehmern mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser aus dem Versorgungsnetz. Bei Arbeitsverträgen sind die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten (vgl. § 310 Abs. 4 S. 2 BGB) zu beachten. Wegen der im Arbeitsrecht insbesondere geltenden Besonderheiten zur Vertragsbeendigung (Kündigung) hat § 308 Nr. 3 BGB dort ohnehin – mit Ausnahme von Vorverträgen – keinen Anwendungsbereich.
II. Grundsätzliches
Rz. 1829
Bereits § 346 Abs. 1 BGB ermöglicht den Parteien eines Vertrags nach seinem eindeutigen Wortlaut grundsätzlich, sich den Rücktritt vom Vertrag vorzubehalten. Eine Einschränkung erfährt diese Möglichkeit für den Bereich der AGB-Klausel, also der einseitig gestellten Rücktrittsvorbehalte. Das Verbot soll beim Vertragsschluss unter Einsatz von AGB gewährleisten, dass die Bindung an einen einmal geschlossenen Vertrag nicht einseitig ausgehebelt wird und zudem insbesondere faktisch einseitige Bindungen an einen Vertrag verhindern, die dadurch entstehen, dass sich der AGB-Verwender (zahlreiche) Lösungsmöglichkeiten vorbehält, während diese dem Vertragspartner nicht zustehen. § 308 Nr. 3 BGB soll insoweit auch einen Interessenausgleich gewährleisten.
§ 308 Nr. 3 BGB bietet für den Vertragspartner im Zusammenspiel mit anderen Klauselverboten – wie z.B. § 308 Nr. 1 BGB und dem darin enthaltenen Verbot unangemessen langer Annahmefristen – die Gewähr dafür, sich auf die Beständigkeit eines geschlossenen Vertrags – außerhalb der gesetzlich verankerten Möglichkeiten – verlassen zu können. "Auch wird durch § 308 Nr. 3 BGB verhindert, dass die Freizeichnungsverbote des § 309 Nr. 7 und 8 BGB dadurch umgangen werden, dass der Klauselverwender statt einer Einschränkung seiner Haftung direkt die der Haftung zugrundeliegende Leistungspflicht aufhebt".
Rz. 1830
Auch sonstige Lösungsrechte – wie das vertraglich statuierte Recht auf Anfechtung oder Widerruf etc. – können unter § 308 Nr. 3 BGB fallen, nicht jedoch ein Vertrag, der unter einer aufschiebenden Bedingung geschlossen worden ist.
III. Bestimmtheitsgebot und sachlicher Grund
Rz. 1831
Nach allgemeiner Meinung müssen Rücktritts- oder sonstige Befreiungsgründe, wie z.B. Kündigungs-, Widerrufs- oder Anfechtungsrechte, in einer AGB-Klausel so bestimmt angegeben werden, dass der V...