Roland Bornhofen, Prof. Dr. Udo Bühler
69.1
A. Allgemeines
Rz. 2013
Das Transportrecht verwirklicht den Schutz des Kunden vor unangemessenen Vertragsklauseln primär nicht durch eine Inhaltskontrolle gemäß §§ 307 ff. BGB, sondern indem es festlegt, welche gesetzlichen Bestimmungen überhaupt der Abänderung durch AGB (und durch Einzelvereinbarung) zugänglich sind. Soweit eine Abänderung durch AGB möglich ist, unterliegen diese aber der Inhaltskontrolle.
B. Frachtrecht des HGB
Rz. 2014
Hier findet sich in § 449 HGB die zentrale Vorschrift, die in einem abgestuften System Abweichungen vom Gesetz gestattet oder ausschließt. Die Einzelheiten sind jedoch im Gesetz zur Reform des Seehandelsrechts mit Wirkung ab 21.4.2013 vielfach geändert worden.
I. Briefe
Rz. 2015
Für Briefe und briefähnliche Sendungen besteht volle Vertragsfreiheit (vgl. unten Rdn 2039 ff.). Für alle anderen Sendungen (Güter) gilt Folgendes:
II. Verbraucher als Absender
Rz. 2016
Abweichungen sind weder durch AGB noch durch Einzelvereinbarung zulässig, soweit der Absender ein Verbraucher ist und die in § 449 Abs. 1 S. 1 HGB genannten Bestimmungen zu dessen Nachteil abbedungen werden sollen (§ 449 Abs. 3 HGB).
Rz. 2017
Dabei meint das Gesetz mit dem Absender stets den Vertragspartner des Frachtführers. Dies ist nicht zwangsläufig die Person, bei der sich das Gut zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses oder zu Beginn des Transports befindet. Vielmehr kann auch der Empfänger in diesem Sinne Absender sein, insbesondere beim Abholauftrag. Ansonsten ist der Empfänger, also die Person, der das Gut nach dem Transport abgeliefert werden soll, nicht Vertragspartei, sodass es auf seine Verbrauchereigenschaft nicht ankommt. Der Empfänger hat nach überwiegender Auffassung die Rechtsstellung des Dritten gemäß §§ 328 ff. BGB, doch gilt vorrangig Frachtrecht, etwa § 421 HGB. Insbesondere besteht bei Beschädigung, Verlust oder verspäteter Ablieferung des Guts der Schadensersatzanspruch gemäß § 421 Abs. 1 S. 2 HGB.
Rz. 2018
Die in § 449 Abs. 1 S. 1 HGB genannten Bestimmungen stellen mithin halbzwingendes Recht zugunsten von Verbrauchern als Absendern dar.
Dagegen soll es generell zulässig sein, das Haftungsrisiko des Frachtführers auch gegenüber dem Verbraucher als Kunden dadurch zu vermindern, dass Ersterem bestimmte primäre Leistungspflichten erlassen werden. Sicher zulässig ist es, auch mit einem Verbraucher die im HGB vorgesehenen Abreden (z.B. § 427 Abs. 1 Nr. 1: Beförderung mit offenem Lkw) zu treffen, die sich dann auch auf die Haftung des Frachtführers zum Nachteil des Kunden auswirken.
III. Unternehmer als Absender: Abweichungen in AGB
Rz. 2019
Ist der Absender kein Verbraucher, so sind Abweichungen durch AGB hinsichtlich der Entschädigung für den Verlust oder die Beschädigung des Guts zulässig, aber nur in dem Umfang, den § 449 Abs. 2 S. 1 HGB vorgibt.
Dies sind Abweichungen zum Nachteil des Frachtführers. Dies sind ferner Abweichungen zum Nachteil des Absenders, aber nur, wenn sie die Höhe der vom Frachtführer wegen Verlustes oder Beschädigung des Gutes zu leistenden Entschädigung betreffen und sich im Rahmen des § 449 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 HGB halten (sog. Korridorlösung); doch muss der Verwender "in geeigneter Weise" darauf hinweisen, dass die AGB einen anderen als den gesetzlich vorgesehenen Betrag vorsehen. Die früher erforderliche drucktechnische Hervorhebung wird seit 21.4.2013 nicht mehr verlangt; es können deshalb auch Aushänge, Hinweise in der Korrespondenz und sogar mündliche und telefonische Hinweise genügen. Letzteres schließt im Regelungsbereich des § 449 Abs. 2 S. 1 HGB eine stillschweigende Einbeziehung von Klauseln aus AGB, insbesondere aus den ADSp, in den Vertrag aus. Insgesamt knüpft der Regelungsbereich an die gewöhnliche Höchsthaftung des Frachtführers gemäß § 431 Abs. 1 und 2 HGB an. Daraus ergibt sich, dass eine solche Regelung in AGB für den Fall qualifizierten Verschuldens (§ 435 HGB) nicht getroffen werden kann. Soweit AGB nach dem Rechtszustand vor der Transportrechtsreform zwecks Abgrenzung von "Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit" sprechen, ist dies für später abgeschlossene Verträge unbedenklich als qualifiziertes Verschulden i.S.v. § 435 HGB zu verstehen.
Rz. 2020
Eine Inhaltskontrolle scheidet hier aus. Dies bei § 449 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 HGB naturgemäß und bei § 449 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 HGB deshalb, weil Regelungen innerhalb des Korridors nicht als unangemessen anzusehen sind. Auch § 305c Abs. 1 BGB kommt nicht in Betracht, da die Klauseln wegen des verlangten Hinweises nie überraschend sein können. Anwendbar bleiben aber die Einbeziehungsvorschriften der §§ 305b, 305c Abs. 2 und 306 BGB.
Rz. 2021
Natürlich sind in diesem Rahmen auch Abweichungen durch Einzelvereinbarung möglich ("auch" in § 449 Abs. 2 S. 1 HGB).
Ist der Absender kein Verbraucher, so sind Abweichungen durch AGB auch hinsichtlich der Höhe der Entschädigung zuläs...