Roland Bornhofen, Prof. Dr. Udo Bühler
Rz. 818
Ist eine Bürgschaft auf erstes Anfordern vereinbart, so braucht der Gläubiger bei Inanspruchnahme des Bürgen nicht die Schlüssigkeit der Hauptforderung darlegen. Er muss nur die urkundlich vorgeschriebenen Voraussetzungen erfüllen. Bei Inanspruchnahme durch den Gläubiger ist der Bürge in diesem Fall mit allen Einwendungen ausgeschlossen. Mit ihrer Geltendmachung ist er auf den Rückforderungsprozess gemäß § 812 BGB verwiesen. Die Bürgschaft auf erstes Anfordern räumt dem Gläubiger die Möglichkeit ein, sich Liquidität zu verschaffen, da der Gläubiger den Bürgen unabhängig vom Eintritt des Sicherungsfalles in Anspruch nehmen kann. Eine Bürgschaft auf erstes Anfordern geht damit über die Funktion eines Sicherungsmittels hinaus und kann grundsätzlich nicht in AGB vereinbart werden. Dies gilt sowohl für Verbraucherverträge als auch für Verträge zwischen Unternehmern. Die Sicherungsrechte des Auftraggebers werden über sein anerkennenswertes Sicherungsinteresse bei unzureichender Vertragserfüllung erheblich ausgedehnt. Hierin liegt eine unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Eine Liquiditätsverschaffung zulasten des Bürgen ist nicht mit dem in § 768 BGB verankerten Grundgedanken der subsidiären Haftung des Bürgen zu vereinbaren. Überdies ist der Hauptschuldner gemäß § 670 bzw. § 774 BGB dem Bürgen im Falle seiner Inanspruchnahme zum Ersatz der dem Bürgen dadurch entstandenen Aufwendungen verpflichtet. Bei einer Bürgschaft auf erstes Anfordern kann diese Verpflichtung schon vor Fälligkeit eintreten. Dem Hauptschuldner soll seine Liquidität aber erhalten bleiben, wenn ihm die Möglichkeit gegeben wird, statt Bargeld zu hinterlegen, eine Bürgschaft beizubringen. Schließlich wird bei einer Bürgschaft auf erstes Anfordern das Insolvenzrisiko des Auftraggebers auf den Bürgen übertragen, weil er erst in einem Rückforderungsprozess eine ungerechtfertigte Inanspruchnahme rügen kann. Diese weitreichende Haftung darf dem Bürgen nicht in AGB untergeschoben werden. Aber auch für den Fall, dass individualvertraglich eine Bürgschaft auf erstes Anfordern vereinbart wurde, können die Einreden aus § 768 BGB nicht formularmäßig ausgeschlossen werden.
Rz. 819
Etwas anders gilt nur für den Fall, dass eine Bürgschaft von einem Kreditinstitut oder einer sonstigen Person übernommen wird, die Bürgschaften gewerbsmäßig übernimmt. Insbesondere im internationalen Handelsverkehr bleibt damit die Bankbürgschaft auf erstes Anfordern bestehen. Andernfalls wäre zu befürchten, dass die beteiligten Unternehmen auf Rechtsordnungen ausweichen, die eine AGB-Kontrolle bei ausschließlicher Beteiligung von Unternehmern nicht vorsehen.