Roland Bornhofen, Prof. Dr. Udo Bühler
75.1
A. Grundsätzliches
Rz. 2173
Die Versicherungswirtschaft gehört historisch betrachtet zu den ersten Verwendern von AGB. Eine Vielzahl verschiedener Bedingungswerke haben sich zwischenzeitlich entwickelt, etwa die Allgemeinen Rechtsschutzbedingungen, die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung, die besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Privathaftpflichtversicherung, die Bedingungen der Transportversicherung, die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Kapitalversicherung auf den Todesfall und die Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung, die freilich wegen der Allgemeinverbindlicherklärung nach § 4 Abs. 1 S. 1 PflVG eine Sonderstellung einnehmen.
Rz. 2174
Der AGB-Charakter der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) ist nicht mehr streitig. Zur Begründung wurde früher auf § 23 Abs. 3 AGBG verwiesen, wonach ein Versicherungsvertrag den von der zuständigen Behörde genehmigten AGB der Versicherer auch dann unterlag, wenn die in § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AGBG bezeichneten Erfordernisse nicht eingehalten waren. Dies ist durch die Schuldrechtsmodernisierung entfallen, jedoch folgt die Anwendung der §§ 305 ff. BGB nunmehr aus § 309 Nr. 9c BGB, der eine Ausnahme für Versicherungsverträge enthält. Auch Antragsvordrucke unterfallen dem Begriff der AGB. Die aufsichtsrechtliche Genehmigung (§ 5 Abs. 3 Nr. 2 VAG) berührt weder die Frage, ob AGB vorliegen, noch die Frage der Überraschung (Überraschungsklauseln) sowie der Inhaltskontrolle.
Rz. 2175
Erlischt das Widerrufsrecht des Kunden, können die Versicherungsbedingungen auch dann einbezogen werden, wenn der Versicherungsnehmer sie bislang nicht erhalten hat.
Rz. 2176
Auslegung: Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse diese bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss.
Der Selbstbehalt bezieht sich hierbei auf das Behandlungsjahr und den Anfall der Kosten, nicht dagegen auf die Antragstellung. Raum für die Unklarheitenregelung besteht hier nicht.
Lücken im Versicherungsschutz müssen dem Versicherungsnehmer hinreichend verdeutlicht werden.
Rz. 2177
Deklaratorische AVB (deklaratorische Klauseln) unterliegen nicht der Inhaltskontrolle und sind richtigerweise auch nicht als AGB anzusehen. Solche deklaratorischen AVB liegen jedoch nur vor, wenn die gleiche Rechtslage bereits kraft Gesetzes besteht. I.Ü. unterliegen Versicherungsbedingungen der Inhaltskontrolle. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um risikoabgrenzende Klauseln oder um verhüllte Obliegenheiten handelt. Klauseln, die § 81 VVG in der Fahrzeugvollversicherung wiedergeben, sind trotz Unklarheiten der Regelung deklaratorisch.
Rz. 2178
Im Rahmen der Inhaltskontrolle stellt sich zunächst die Frage nach der Kontrollfreiheit. Hiernach ist die Leistungsbeschreibung als Risikobeschreibung dann der Inhaltskontrolle entzogen, wenn sich ein hinreichend konkretisierbarer Vergleichsmaßstab mit Gerechtigkeitsgehalt nicht feststellen lässt. Auf das ausdrückliche Bestehen einer gesetzlichen Parallelvorschrift kommt es hierbei jedoch nicht an. Die Inhaltskontrolle hängt nicht davon ab, ob die sog. primäre oder sekundäre Risikobegrenzung durch die Klausel betroffen wird, sondern davon, ob etwa durch die berechtigte Vertragserwartung des Versicherungsnehmers eine andere Rechtslage begründet würde.
Rz. 2179
Insbesondere unterliegen auch Prämienanpassungsklauseln der Inhaltskontrolle.
Rz. 2180
Verlängerungsklauseln können nicht als deklaratorische Klauseln angesehen werden, da die Verlängerung des Versicherungsverhältnisses nach § 8 VVG nicht kraft Gesetzes eintritt.
Rz. 2181
Dem Transparenzprinzip kommt bei der Inhaltskontrolle von AVB besondere Bedeutung zu; einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer müssen hiernach die mit der Klausel verbundenen Risiken und Belastungen wie auch wirtschaftlichen Folgen soweit erkennbar sein, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann. Das Transparenzgebot verlangt vom AGB-Verwender, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Eine Klausel muss nicht nur in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Vertragspartner verständlich sein, sondern darüber hinaus die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen so weit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann. Das Transparenzgebot verlangt ferner, dass Allgemeine Versicherungsbedingungen dem Versicherungsnehmer bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vor Augen führen, in welchem Umfang er Versicherungsschutz erlangt und welche Umstände seinen Versicherungsschutz gefährden.
Auch Klauseln einer Ratenschutz-Versicherung wurden vom BGH als intransparent angesehen.
Auch die in Verträgen über eine Berufsunfähigkeitsversicherung verwendete Klausel "Als versic...