Roland Bornhofen, Prof. Dr. Udo Bühler
Rz. 61
Mithilfe von Bezugnahmeklauseln wird die Anwendung tarifvertraglicher Regelungen auf das Arbeitsverhältnis sichergestellt, auch wenn eine unmittelbare Tarifbindung der Arbeitsvertragsparteien nicht besteht. Sie dienen insbesondere dazu, einheitliche Arbeitsbedingungen für tarifgebundene und nicht tarifgebundene Arbeitnehmer herzustellen. Neben der Bezugnahme auf Tarifwerke insgesamt (Globalverweisung) sind auch Verweise auf einzelne Abschnitte oder Bestimmungen eines Tarifvertrags möglich (z.B. "Es gelten die jeweiligen tariflichen Kündigungsfristen."). Verweisungen auf einschlägige Tarifverträge sind im Arbeitsleben als Gestaltungsinstrument so verbreitet, dass ihre Aufnahme in Formularverträge nicht überraschend ist. Sie entsprechen einer üblichen Regelungstechnik im Arbeitsvertrag und dienen damit in der Regel den Interessen beider Parteien.
Rz. 62
Auch Verweise auf andere Regelungswerke als Tarifverträge sind weit verbreitet. Üblich sind Bezugnahmen insbesondere auf beamtenrechtliche Regelungen und auf allgemeine Arbeitsvertragsregelungen, z.B. der Verweis auf Bonusregelungen und Richtlinien zur Überlassung von Dienstwagen.
1. Globalverweisung auf Tarifverträge
Rz. 63
Bei der arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf Tarifverträge ist zwischen statischen und dynamischen Verweisen zu unterscheiden, wobei die dynamische Verweisung als "kleine" und "große" dynamische Verweisung ausgestaltet werden kann.
Rz. 64
Mit der statischen Verweisung wird die zum Zeitpunkt des Arbeitsvertragsschlusses geltende Fassung eines Tarifvertrags zum Vertragsgegenstand gemacht. Zukünftige Änderungen oder Ablösungen des Tarifvertrags haben kraft Bezugnahme keine Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis.
Rz. 65
Mit einer kleinen dynamischen Verweisung wird die Anwendung eines bestimmten Tarifvertrags in seiner jeweils geltenden Fassung vereinbart. Auf diese Weise finden künftige Änderungen des Tarifvertrags Anwendung auf das Arbeitsverhältnis, ohne dass es hierzu einer Änderungsvereinbarung bedarf. Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG ist bei fehlender Angabe einer konkret nach Datum bezeichneten Fassung des in Bezug genommenen Tarifvertrags regelmäßig anzunehmen, der Tarifvertrag solle in der jeweiligen Fassung gelten.
Rz. 66
Die sog. große dynamische Verweisung (auch "Tarifwechselklausel") erweitert die kleine dynamische Verweisung um ein Flexibilisierungselement hinsichtlich des anzuwendenden Tarifvertrags. Anstatt auf einen bestimmten Tarifvertrag zu verweisen, sieht sie die Anwendung des jeweils für das Arbeitsverhältnis betrieblich und persönlich einschlägigen Tarifvertrags vor. Auf diese Weise kann z.B. im Falle einer örtlichen Versetzung, aber auch im Falle eines Branchenwechsels nach einem Betriebsübergang die Anwendbarkeit des dann einschlägigen Tarifvertrags erreicht werden. Eine dynamische Verweisung auf das jeweils gültige Tarifrecht ist nicht unklar, weil die im Zeitpunkt der jeweiligen Anwendung geltenden, in Bezug genommenen Regelungen bestimmbar sind. Eine solche Klausel verletzt daher das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB nicht. Nachdem das BAG den Grundsatz der Tarifeinheit zwischenzeitlich aufgegeben hat, kann allerdings die Situation eintreten, dass bei fehlender Verbandsmitgliedschaft des Arbeitgebers mehrere Tarifverträge als einschlägig in Betracht kommen. Für diesen Fall sollten zusätzliche Kriterien in die Klausel aufgenommen werden, nach denen auch bei mehreren einschlägigen Tarifverträgen der anzuwendende eindeutig bestimmt werden kann, so z.B. durch Verweis auf das Spezialitätsprinzip oder die Kollisionsregeln des § 4a TVG. Vor dem Hintergrund der neuen gesetzlichen Anwendungsgrundsätze nach Maßgabe des Tarifeinheitsgesetzes ist sowohl der Auslegung, als auch der zukünftigen Formulierung von Bezugnahmeklauseln besondere Beachtung zu schenken.
Rz. 67
In Bezug genommene Tarifverträge unterliegen grundsätzlich nicht der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle. Dies beruht darauf, dass die zwischen den Tarifvertragsparteien ausgehandelten Vereinbarungen die Vermutung der Ausgewogenheit in sich tragen (zum Bereichsausschluss für Tarifverträge siehe Rdn 14). Die Bezugnahmeklauseln selbst sind allerdings der Inhaltskontrolle nicht entzogen. Geprüft wird dabei, ob der Verweis die Interessen beider Vertragspartner angemessen berücksichtigt. Soweit ein einschlägiger Tarifvertrag in Bezug genommen wird, wird die Angemessenheit der Bezugnahme wiederum vermutet. Anders wird von der ganz überwiegenden Meinung die Bezugnahme auf branchenfremde Tarifverträge beurteilt, da diesen ggf. ganz andere ökonomische und betriebliche Bedingungen zugrunde liegen. Ein solcher Verweis ist zudem, wird nicht ausdrücklich auf die Branchenfremdheit hingewiesen, für den Arbeit...