1. Haftung dem Grunde nach

 

Rz. 672

Auch in Getränkelieferungsverträgen scheitert eine Schadensersatzhaftung ohne Verschulden[1336] an § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB, weil sich ein Schadensersatzverlangen des Getränkelieferanten regelmäßig nur auf § 281 Abs. 1 BGB gründen lässt und das Verschuldenserfordernis zum gesetzlichen Leitbild dieser Vorschrift gehört (§§ 280 Abs. 1, 276 BGB).[1337]

 

Rz. 673

Da das Verschuldenserfordernis zum Kernbereich der Schadensersatzhaftung gehört, ist es auch nicht ausreichend, wenn die Klausel einen Nachweis fehlenden Verschuldens nicht ausdrücklich ausschließt.[1338] Höherrangige Inte­ressen des Getränkelieferanten, die ausnahmsweise eine Abweichung von dem Verschuldenserfordernis rechtfertigen könnten, sind durchweg nicht anzunehmen.[1339] Daher genügt die Verwendung des Wortes "vertragswidrig" nicht. Diese Formulierung bezieht sich auf die Pflichtverletzung und nicht auf das Vertretenmüssen.[1340]

 

Rz. 674

Dem Getränkelieferanten ist es im Allgemeinen zuzumuten, entsprechend § 281 Abs. 1 BGB zu verfahren, die Obliegenheit zur Mahnung kann auch im Unternehmerverkehr nicht formularmäßig abgedungen werden (§§ 307 Abs. 2 Nr. 1, 309 Nr. 4 BGB).[1341]

 

Rz. 675

Gleiches gilt für das Erfordernis der Nachfristsetzung.[1342]

 

Rz. 676

Heißt es in einer Kündigungsklausel, dass die Kündigung nicht etwaige Schadensersatzansprüche beseitigt, so bestehen hinsichtlich der Bestimmtheit der Schadensersatzklausel allerdings letztlich keine Bedenken.[1343]

 

Rz. 677

Unangemessen i.S.d. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB ist es, dass der Getränkelieferant die vertragswidrig bezogene Getränkemenge verbindlich festlegen darf, wenn es dem Gastwirt nicht binnen acht Tagen gelungen ist, hierzu beweiskräftige Angaben zu machen.[1344]

[1336] Ausführlich Bühler, § 17 II 1Rn 2.625–2.630 m.w.N.
[1337] BGH, Urt. v. 23.4.1991 – XI ZR 128/90, BGHZ 114, 238 = NJW 1991, 1886; BGH, Urt. v. 1.4.1992 – XII ZR 100/91, NJW 1992, 1761; BGH, Urt. v. 9.7.1992 – VII ZR 7/92, BGHZ 119, 152 = NJW 1992, 3158; BGH, Urt. v. 3.7.1996 – VIII ZR 92/95, NJW-RR 1996, 1394; BGH, Urt. v. 15.11.2000 – VIII ZR 322/99, NJW-RR 2001, 987; BGH, Urt. v. 5.10.2005 – VIII ZR 16/05, BGHZ 164, 196 = NJW 2006, 47; BGH, Urt. v. 18.2.2015 – XII ZR 199/13, NJW-RR 2015, 690; BGH, Urt. v. 22.10.2015 – VII ZR 58/14, BeckRS 2015, 18772; OLG München, Urt. v. 31.1.1995 – 25 U 3600/94, BeckRS 1995, 04936, das § 9 Abs. 1 AGBG anwendete; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.11.2007 – 11 U 24/07, BeckRS 2007, 19024; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11; OLG Naumburg, Beschl. v. 21.2.2013 – 1 W 9/13, BeckRS 2013, 22080; OLG Köln, Urt. v. 18.4.2013 – 7 U 180/12, BeckRS 2013, 07760, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 18.2.1014 – VIII ZR 130/13.
[1338] OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469; OLG Köln, Urt. v. 18.4.2013 – 7 U 180/12, BeckRS 2013, 07760, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 18.2.1014 – VIII ZR 130/13; AG Ludwigslust, Urt. v. 16.2.2009 – 5 C 2/09, BeckRS 2009, 11036.
[1339] OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469.
[1340] A.A. LG Köln, Urt. v. 15.3.2011 – 21 O. 95/10, BeckRS 2012, 02826, Vorinstanz zu OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923.
[1341] BGH, Urt. v. 18.12.1985 – VIII ZR 47/85, NJW 1986, 842; BGH, Urt. v. 7.3.1991 – I ZR 157/89, NJW-RR 1991, 995; OLG Köln, Urt. v. 18.4.2013 – 7 U 180/12, BeckRS 2013, 07760, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 18.2.1014 – VIII ZR 130/13.
[1342] BGH, Urt. v. 18.12.1985 – VIII ZR 47/85, NJW 1986, 842; OLG Köln, Urt. v. 18.4.2013 – 7 U 180/12, BeckRS 2013, 07760, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 18.2.1014 – VIII ZR 130/13.
[1343] BGH, Urt. v. 22.10.1997 – VIII ZR 149/96.

2. Schadensersatzpauschalierungen

a) Abgrenzung zur Vertragsstrafe

 

Rz. 678

Es bedarf ggf. sorgfältiger Prüfung, ob Schadensersatzpauschalierungen[1345] nicht tatsächlich verdeckte Vertragsstrafenversprechen enthalten.[1346] Während die Schadenspauschalierung allein den Schadensbeweis ersparen soll, hat die Vertragsstrafe einen doppelten Zweck.[1347] Erstens besteht ihr Zweck darin, die Erfüllung der Hauptverbindlichkeit als "Druckmittel" zu sichern. Praktisch bedeutsam ist die Vertragsstrafedaher zur Abwehr von Fremd- und Minderbezügen. Sie soll dem Gläubiger zweitens im Falle einer Leistungsstörung den Schadensbeweis ersparen. Insofern besteht zur Schadensersatzpauschalierung Zweckidentität. Was gewollt ist, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln. Der gewählte Wortlaut ist für das eine wie für das andere ein gewisses Indiz. So sprechen die Formulierungen "Schadensersatz", "entgangener Gewinn", "…-entschädigung" und ähnliche für eine Schadensersatzpauschale.[1348] Erfüllt eine Klausel beide Begriffe, so muss sie auch die Anforderungen von § 309 Nr. 5 und 6 BGB einhalten.[1349]

 

Rz. 679

Jedenfalls im Unternehmerverkehr dürfte eine Abgrenzung zwischen Vertragsstrafe einerseits und Schadensersatz andererseits zum...

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