Roland Bornhofen, Prof. Dr. Udo Bühler
Rz. 169
Vertragsstrafen in Arbeitsverträgen dienen zum einen dazu, den Arbeitnehmer zu vertragsgemäßem Verhalten anzuhalten (Präventivfunktion). Zum anderen sind sie ein Instrument des Arbeitgebers, sich bei ansonsten schwer durchsetzbaren Schadensersatzansprüchen gegen Arbeitnehmer eine komfortablere Ausgangsposition zu schaffen und einen "Mindestschadensersatz" zu sichern (Ausgleichsfunktion). Häufigster Fall sind Vertragsstrafenabreden für den Fall des Nichtantritts oder der vorzeitigen vertragswidrigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Denn in beiden Fällen ist ein konkreter Schaden auf Seiten des Arbeitgebers durch die vertragswidrige Arbeitsverweigerung in der Regel nur sehr schwer nachweisbar.
Rz. 170
Die Verwendung von Vertragsstrafen in Formularverträgen ist grundsätzlich nicht überraschend. Anders kann dies aber zu beurteilen sein, wenn die Klausel im Vertrag an ungewöhnlicher oder unerwarteter Stelle geregelt ist. Es empfiehlt sich daher die Aufnahme unter einer aussagekräftigen Überschrift oder eine drucktechnische Hervorhebung. Vertragsstrafenabreden unterliegen der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB. Dabei ist zum Schutz des Arbeitnehmers ein strenger Maßstab anzulegen.
1. Verwirkungstatbestand
Rz. 171
Zunächst muss eine Vertragsstrafenklausel transparent formuliert, also klar und verständlich gegliedert sein. Die Fälle, in denen die Vertragsstrafe verwirkt sein soll, müssen präzise beschrieben sein. Allgemeine Formulierungen wie die Vereinbarung einer Vertragsstrafe für alle beliebigen oder "gravierenden" Arbeitsvertragsverstöße reichen nicht aus. Gleiches gilt für die Vereinbarung einer Vertragsstrafe für den Fall, dass der Arbeitnehmer den Arbeitgeber durch schuldhaftes vertragswidriges Verhalten zu einer fristlosen Kündigung veranlasst. Nach Auffassung des BAG wird der Interessenausgleich in diesem Fall in erster Linie durch die Möglichkeit der fristlosen Kündigung des Arbeitgebers herbeigeführt. Eine darüber hinausgehende Bestrafung des Arbeitnehmers durch die Vertragsstrafe kann nur durch Verletzung weiterer schutzwürdiger Interessen des Arbeitgebers (z.B. des Eigentums oder Vermögens) gerechtfertigt sein. Für eine Vertragsstrafe, die durch jegliches schuldhaftes vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers, das den Arbeitgeber zur fristlosen Kündigung veranlasst, verwirkt wird, fehlt es am berechtigten Interesse des Arbeitgebers. Eine solche Abrede zielt auf die Absicherung aller vertraglichen Pflichten und enthält damit eine unangemessene "Übersicherung".
Rz. 172
Vertragsstrafen zur Sanktion bei Nichtantritt oder vorzeitiger tatsächlicher Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer sind ein üblicher und grundsätzlich AGB-rechtlich nicht zu beanstandender Anwendungsfall von Vertragsstrafen. Sie sind nicht nach § 309 Nr. 6 BGB generell unzulässig. Damit hat das BAG unter Hinweis auf arbeitsrechtliche Besonderheiten i.S.d. § 310 Abs. 4 S. 2 BGB gegen den ausdrücklichen Gesetzeswortlaut entschieden. Auch längere als in § 622 Abs. 1, 2 BGB vorgesehene, für beide Vertragsparteien gleiche Kündigungsfristen können durch Strafversprechen gesichert werden.
Rz. 173
Soll die Vertragsstrafe im Falle eines Dauerverstoßes für einen bestimmten Zeitraum (z.B. "für jeden Tag der Zuwiderhandlung") verwirkt sein, so ist auch dies nachvollziehbar in der Klausel darzustellen, sodass die verwirkte Strafe eindeutig berechnet werden kann. Dabei ist auch zu konkretisieren, was unter einem dauerhaften Verstoß – insbesondere in Abgrenzung zu einem einmaligen Verstoß – zu verstehen ist (z.B. Tätigkeiten für Konkurrenzunternehmen).
Rz. 174
Die Verwirkung einer Vertragsstrafe setzt stets ein Verschulden des Arbeitnehmers voraus, § 339 BGB. Hierauf sollte in der Vertragsstrafenklausel hingewiesen werden, auch wenn dies keine Wirksamkeitsvoraussetzung ist.