Verfahrensgang
AG Aurich (Entscheidung vom 29.06.2012; Aktenzeichen 6 Gs 1041-1042/12) |
Tenor
1.
Auf die Beschwerden der Beschuldigten werden die Beschlüsse des Amtsgerichts Aurich vom 29.06.2012 zu Aktenzeichen 6 Gs 1041/12 und zu Aktenzeichen 6 Gs 1042/12, mit denen jeweils die Entnahme einer Blutprobe zur Feststellung einer möglichen HIV-Infektion angeordnet worden sind, aufgehoben.
2.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die insoweit den Beschuldigten entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
I.
Die Beschuldigten werden verdächtigt, den Anzeigenerstatter durch ungeschützten Geschlechtsverkehr mit HIV infiziert zu haben. Dem liegt nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Anzeigenerstatter, der bis August 2010 in einer mehr als 1 1/2 jährigen Beziehung gelebt hatte, lernte im Dezember 2010 den Beschuldigten A. im Rahmen seines Ausbildungsverhältnisses näher kennen. In der Folgezeit kam es zwischen beiden über einen Zeitraum von drei Wochen in ca. sechs Fällen einvernehmlich zu ungeschütztem Geschlechtsverkehr. Anfang Februar 2011 lernte der Anzeigenerstatter über Internetchat ebenfalls den Beschuldigten B. kennen, mit dem er sich über einen Zeitraum von zwei Wochen ca. sieben bis acht Mal in seiner Wohnung traf. Bei den letzten beiden Treffen ist es sodann auch mit dem Beschuldigten B. zu ungeschütztem, einvernehmlichem Sexualverkehr gekommen.
Im Zuge eines Blutspendetermins ..... erhielt der Anzeigenerstatter Kenntnis von seiner - allerdings bislang noch nicht belegten - HIV-Infektion. Die daraufhin vom Anzeigenerstatter zur Rede gestellten Beschuldigten bestritten indes, mit HIV positiv infiziert zu sein. Im Rahmen des weiteren Ermittlungsverfahrens gab der Anzeigenerstatter an, dass weder sein früherer Partner noch derjenige, mit dem er im Anschluss an die hiesigen Vorfälle sexuell verkehrt habe, infiziert gewesen seien. Überdies habe er mit keinem weiteren Dritten verkehrt, noch sei er sonst mit Körperflüssigkeiten und/oder mit verunreinigten Spritzen in Kontakt gekommen.
Nachdem die beiden Beschuldigten bisher jeweils die Entnahme einer Blutprobe zur Feststellung einer etwaigen HIV-Infizierung abgelehnt hatten, ordnete das Amtsgericht Aurich gegenüber beiden Beschuldigten gem. § 81a StPO mit den angefochtenen Beschlüssen die Blutentnahme sowie den Vergleich der Virussubtypen an. Wegen weiterer Einzelheiten wird insoweit auf die Ausführungen in den angefochtenen Beschlüssen vom 29.06.2012 Bezug genommen.
Den gegen diese beiden Beschlüsse gerichteten Beschwerden hat das Amtsgericht nicht abgeholfen und der hiesigen Beschwerdekammer zum zuständigen Befinden vorgelegt.
II.
Die Beschwerden der Beschuldigten - insofern wird der "Widerspruch" des Beschuldigten A. in Anbetracht der für ihn günstigen Erstreckungswirkung gem. § 357 StPO analog (vgl. OLG Bremen, Beschluss v. 28.10.1957 - Ws 181/57, NJW 1958, 432) in eine solche umgedeutet - sind jeweils gemäß § 304 StPO zulässig und in der Sache begründet.
Die Entnahme einer Blutprobe, um eine etwaige Infizierung des Täters mit HIV feststellen zu lassen, ist nur nach Maßgabe des § 81a StPO zulässig (eingehend Mayer, JR 1990, 358 ff. m.w.N.). Dessen Voraussetzungen sind hier jedoch nicht erfüllt. Denn die mit den angefochtenen Maßnahmen begehrten Feststellungen sind bezüglich beider Beschuldigten für das Verfahren nicht "von Bedeutung" i.S.d. § 81a Abs. 1 Satz 1 StPO (dazu 1.). Im Übrigen stellt sich die Blutentnahme bei beiden Beschuldigten als unverhältnismäßig dar (dazu 2.).
1.
Im Ansatz zutreffend geht das Amtsgericht Aurich davon aus, dass der ungeschützte Geschlechtsverkehr eines HIV-Infizierten den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung in Gestalt einer "das Leben gefährdenden Behandlung" gem. §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB erfüllen kann (grundlegend BGH, Urteil v. 04.11.1988 - 1 StR 262/88, BGHSt 36, 1 = NJW 1989, 781, 783 zu § 223a StGB a.F. m. Anm. Bruns, MDR 1989, 199 ff.). Zudem ist ein HIV-Antikörpertest anhand einer Blutprobe durchaus geeignet, die Infektiosität eines Täters nachzuweisen (vgl. Helmrich, NVwZ 2008, 162; Michel, JuS 1993, 591, 593 m.w.N.), was wiederum unabdingbare Voraussetzungen für die Strafbarkeit wegen gefährlicher Körperverletzung ist (Mayer, JR 1990, 358, 360).
Hier ist allerdings ein positiver HIV-Test weder eine (vollendete) gefährliche Körperverletzung (dazu a) und b)), noch eine versuchte gefährliche Körperverletzung (dazu c)) nachzuweisen geeignet, so dass die durch die Austestung zu belegenden Tatsachen für das hiesige Verfahren nicht verfahrenserheblich sind (vgl. zur Gleichsetzung von Geeignetheit und Verfahrenserheblichkeit Mayer, JR 1990, 358, 361).
a)
So ist im Ausgangspunkt schon der tatbestandliche Erfolg, also die Infizierung des Anzeigenerstatters nicht festgestellt. Zwar hat sich dieser - entsprechend einem Antrag nach § 81c StPO - mittlerweile dazu bereit erklärt, einer Blutentnahme zu unterziehen. Letzteres ist bislang jedoch noch nich...