Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsanwaltsgebühren im Wohnungseigentumsverfahren: Verhandlungsgebühr bei Nichtdurchführung einer mündlichen Verhandlung. Rechtsanwaltsgebühren im Wohnungseigentumsverfahren: Mehrvertretungsgebühr bei Vertretung mehrerer Wohnungseigentümer
Leitsatz (amtlich)
1. § 35 BRAGO, nach dem ein Rechtsanwalt unter bestimmten Umständen auch ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung Gebühren für diese erhält, gilt nicht für WEG-Verfahren nach § 43 WEG.
2. Die Rechtsprechung des BGH zur Rechts- und Parteifähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts gilt nicht für Wohnungseigentümer. Vertritt der Rechtsanwalt im WEG-Verfahren mehrere Wohnungseigentümer, fällt ihm deshalb die Gebührenerhöhung nach § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO an.
Orientierungssatz
Zitierung zu Leitsatz 2: Abgrenzung BGH, 29. Januar 2001, II ZR 331/00, BGHZ 146, 341.
Tenor
1. In Änderung des angefochtenen Beschlusses werden als nach dem rechtskräftigen Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 29. Mai 2002 - 70 II 18/02 - von dem Antragsgegner an die Antragsteller zu erstattende Kosten weitere 373,52 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 29. Juni 2002 festgesetzt.
2. Gerichtsgebühren werden nicht erhoben. Der Antragsgegner hat den Antragstellern ihre außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens bei einem Wert bis 600,00 EUR zu erstatten.
3. Die sofortige weitere Beschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Mit ihrem Antrag im WEG-Verfahren vom 9. April 2002 begehrten die Antragsteller vom Antragsgegner die Zahlung rückständigen Wohngelds. Der Antragsgegner erkannte den Anspruch an, woraufhin der Antragsgegner ohne vorherige mündliche Verhandlung durch Beschluss des AG Tiergarten vom 29. Mai 2002 zur Zahlung des rückständigen Wohngelds und u.a. der Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Antragsteller verpflichtet wurde. Auf den Kostenfestsetzungsantrag der Antragsteller vom 19. Juni 2002 erging der angegriffene Kostenfestsetzungsbeschluss, in dem die von den Antragstellern begehrte Gebührenerhöhung nach § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO sowie eine Verhandlungs- bzw. Erörterungsgebühr nach § 63 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO i.V.m. § 31 Abs. 1 Nr. 2 bzw. 4 BRAGO abgesetzt wurden. Gegen diesen Beschluss wendet sich die als Erinnerung bezeichnete sofortige Beschwerde der Antragsteller vom 29. Oktober 2002.
II.
Die gemäß § 11 Abs. 1 RPflG i. V. m. §§ 13a Abs. 3 FGG, 104 Abs. 3 und 567 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist in dem im Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Im Übrigen war sie zurückzuweisen.
1. Die Antragsteller können die nach § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO erhöhte Prozessgebühr in Höhe von 322,00 EUR nebst anteiliger Mwst. - wie in dem Kostenfestsetzungsantrag vom 19. Juni 2002 errechnet - erstattet verlangen, da der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsteller die 135 Wohnungseigentümer als Auftraggeber in derselben Angelegenheit vertreten hat. Denn die Antragsteller machen als Bruchteilseigentümer und Gesamtgläubiger eine die Gemeinschaft betreffende Forderung wegen rückständiger Wohngeldzahlung geltend. Das Urteil des BGH vom 29. Januar 2001, nach dem unter bestimmten Voraussetzungen eine GbR prozess- und parteifähig ist, wirkt sich nicht auf die in Bruchteilsgemeinschaft verbundene Wohnungseigentümergemeinschaft und die Erstattungsfähigkeit der für eine solche Gemeinschaft geltend gemachte Gebührenerhöhung nach § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO aus (KG, BRAGOreport 2002, 167; LG Potsdam, JurBüro 2002, 24). Denn eine Wohnungseigentümergemeinschaft kommt anders als eine GbR nicht aufgrund eines zweckgebundenen willentlichen Zusammenschlusses zustande. Vielmehr entsteht die Mitgliedschaft in einer Eigentümergemeinschaft durch den Erwerb einer Wohnungseigentumseinheit (LG Hamburg, BRAGOreport 2002, 22f.). Es bleibt daher bei der nach § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO vorgesehenen Erhöhung der Prozessgebühr auf das Doppelte der vollen Gebühr.
2. Die Antragsteller können keine Gebühr nach § 63 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 31 Abs. 1 Nr. 2 oder 4 BRAGO in Höhe von 161,00 EUR erstattet verlangen, da weder eine Erörterungs- noch eine Verhandlungsgebühr entstanden ist. Zwar gelten nach § 63 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO in Verfahren nach dem Wohnungseigentumsgesetz die §§ 31, 35 BRAGO entsprechend. § 35 BRAGO gilt jedoch nach seinem insoweit eindeutigen Wortlaut nur für Verfahren, in denen eine mündliche Verhandlung zwingend vorgeschrieben ist. Das trifft nach § 44 Abs. 1 WEG für Verfahren nach § 43 WEG nicht zu, da der Richter in diesen Fällen nur in der Regel mit den Beteiligten mündlich verhandeln soll.
3. Die Erstattungsanordnung beruht auf § 47 WEG. Sie entspricht billigem Ermessen, da die Antragsteller in diesem Beschwerdeverfahren überwiegend Erfolg hatten.
4. Die Rechtsbeschwerde wird nach § 43 Abs. 1 WEG i. V. m. §§ 27, 28 FGG und § 574 ZPO zugelassen, da die zur Entscheidung stehenden Fragen von grundsätzlicher Bedeutung sind. § 574 ZPO findet auch bei der Entscheidung eines Landgerichts im FGG-Verfa...