Entscheidungsstichwort (Thema)

Räumungsvollstreckung bei Wohnraum: Räumungskostenvorschusspflicht des Gläubigers trotz Geltendmachung eines Vermieterpfandrechts

 

Orientierungssatz

1. Der in § 885 Abs. 3 S. 2 ZPO geregelte Herausgabeanspruch hindert den Gerichtsvollzieher unpfändbare Gegenstände in einer zu räumenden Wohnung zu belassen. Der Gerichtsvollzieher hat die Prüfungspflicht zu entscheiden, auf welche Sachen sich das Vermieterpfandrecht erstreckt, diese Sachen in der Wohnung zu belassen und die unpfändbaren Sachen einzulagern und ggf. an den Schuldner herauszugeben (Festhaltung LG Berlin, 14. Februar 2005, 81 T 61/05).

2. Der Räumungsgläubiger muss daher auch den Vorschuss für die voraussichtlich entstehenden Räumungskosten leisten, weil vor Auftragsausführung nicht bekannt ist, auf welche Sachen sich das Vermieterpfandrecht bezieht.

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 10.08.2006; Aktenzeichen I ZB 135/05)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird auf Kosten der Gläubigerin aufgehoben, soweit der Gerichtsvollzieher angewiesen wird.

 

Gründe

Die Gläubigerin betreibt die Räumungsvollstreckung aus einem inzwischen rechtskräftigen Teilurteil des Landgerichts Berlin vom 10.03.2005 - Gesch.Nr. 67 S 346/04 - hinsichtlich der von den Schuldnern innegehaltenen Wohnung. Sie erteilte dem zuständigen Gerichtsvollzieher mit Schreiben vom 12.04.2005 einen entsprechenden Räumungsauftrag, wobei sie zugleich an allen in der Wohnung befindlichen Gegenständen der Schuldner ihr Vermieterpfandrecht geltend machte. Der Gerichtsvollzieher machte die Ausführung dieses Auftrags von der Einzahlung eines Kostenvorschusses in Höhe von 6.500,- Euro abhängig, den die Gläubigerin nicht einzahlte, sondern stattdessen Erinnerung einlegte.

Hierauf hat das Amtsgericht mit dem angefochtenen Beschluss den Gerichtsvollzieher angewiesen, die Räumungsvollstreckung zu seiner DR-Nr. ... auftragsgemäß nach Erhalt eines Kostenvorschusses i. H. v. 400,- Euro baldmöglichst ohne Hinzuziehung eines Umzugs- bzw. Transportunternehmens durchzuführen und dabei alle Gegenstände, an denen die Gläubigerin ein Vermieterpfandrecht geltend gemacht hat (also auch die seiner Ansicht nach unpfändbaren Sachen des Schuldners), in der zu räumenden Wohnung zu belassen.

Der dort angesetzte Kostenvorschuss soll mögliche Kosten der Beauftragung eines Schlossers zur Öffnung der Wohnung abdecken.

Die hiergegen gerichtete, nach § 793 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Schuldner ist begründet.

Das Amtsgericht geht unzutreffend davon aus, dass aufgrund ausgeübten Vermieterpfandrechts ein Transportunternehmen nicht bereitzustellen sei. Eine solche i. E. isolierte Herausgabevollstreckung ist gesetzlich nicht vorgesehen. Sie wäre auch nicht rechtmäßig, da sie dem Herausgabeanspruch der Schuldner nach § 885 Abs. 3 Satz 2 ZPO zuwider liefe.

In § 885 Abs. 2 - 4 ZPO ist im Einzelnen vorgesehen, dass der Gerichtsvollzieher grundsätzlich die Wegschaffung der dort genannten Sachen zu veranlassen und unpfändbare Sachen ohne Weiteres an den Schuldner auf dessen Verlangen herauszugeben hat. Ein Gerichtsvollzieher jedoch, der nur mit der Herausgabevollstreckung beauftragt ist und eine Wegschaffung nicht anordnen dürfte, müsste nicht nur die pfändbaren, sondern eben auch die unpfändbaren Sachen in der dem Gläubiger herauszugebenden Wohnung belassen. Daran ist der Gerichtsvollzieher jedoch durch den Herausgabeanspruch des Schuldners aus § 885 Abs. 3 Satz 2 ZPO gehindert. Der Gerichtsvollzieher hat vielmehr zu prüfen, auf welche Sachen sich das Vermieterpfandrecht erstreckt, diese Sachen in der Wohnung zu belassen und die unpfändbaren Sachen einzulagern und ggf. dem Schuldner herauszugeben (vgl. Beschluss der Kammer vom 14. Februar 2005 - 81 T 61/05 -). Die Beschwerdeführer behaupten, in der Wohnung befänden sich ausschließlich pfandfreie Sachen. Da es jedenfalls der Lebenserfahrung entspricht, dass in (fast) jeder Wohnung zumindest auch unpfändbare Sachen sich befinden, die von einem ausgeübten Vermieterpfandrecht nicht betroffen sind (§ 562 Abs. 1 Satz 2 BGB in Verbindung mit § 811 ZPO), hat der Gerichtsvollzieher zu Recht auch die durch die Räumung mit Hilfe eines Transportunternehmens entstehenden Kosten bei der Bemessung des Vorschusses in Ansatz gebracht (§ 4 Abs. 1 Satz 1 GVKostG). Den Vorschuss auch für die voraussichtlich entstehenden Räumungskosten hat der Gläubiger zu leisten, weil vor Auftragsausführung nicht bekannt ist, auf welche Sachen sich das Vermieterpfandrecht bezieht.

Die Auffassung, der Gerichtsvollzieher habe im Fall der Ausübung des Vermieterpfandrechtes durch den Gläubiger alle von dem Pfandrecht betroffenen Sachen in den Räumen zu belassen, auch wenn das Pfandrecht und die Pfändbarkeit der Sachen umstritten sind, und es dem Gerichtsvollzieher nicht zustehe zu prüfen, ob die Ausübung des Vermieterpfandrechts berechtigt ist (vgl. LG Gießen, DGVZ 1991, Seite 156; LG Köln, DGVZ 1996, Seite 75), überzeugt nicht. Einer solchen Auslegung steht § 885 Abs. 3 Satz 2 ZPO entgegen, der ...

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