Leitsatz (amtlich)
1. Beruft der Vermieter sich im Rahmen eines Streits um die Einhaltung der „Mietpreisbremse” gemäß § 556d ff. BGB auf den Ausnahmetatbestand, dass es sich um die erste Vermietung nach umfassender Modernisierung im Sinne des § 556f Satz 2 BGB handele, kann sein Vortrag nicht deswegen als insgesamt unerheblich verworfen werden, weil er den Zustand der Wohnung vor Modernisierung nicht in allen Einzelheiten zu beschreiben vermag und hinreichend detaillierten Vortrag zu den (fiktiven) Instandhaltungsanteilen unterlässt. Es obliegt dann vielmehr dem Mieter, die eingeführten Rechnungen zu prüfen und aufzuzeigen, welche abgerechneten Bauteile oder Einrichtungen schon vor den Baumaßnahmen vorhanden gewesen sein sollen und daher um einen Instandhaltungsabschlag zu kürzen seien. Hat der Mieter keine Kenntnisse vom Zustand der Mietsache vor Durchführung der Arbeiten, darf er zwar nicht ins Blaue hinein fantasieren, kann aber mit Erfahrungssätzen oder Vermutungen arbeiten und wird regelmäßig ohne Verstoß gegen die Wahrheitspflicht behaupten dürfen, eine erneuerte Einrichtung habe vor Beginn der Baumaßnahmen bereits ihre zu erwartende Nutzungsdauer erreicht gehabt. Tritt der Vermieter dem nicht durch substantiierten Vortrag entgegen, wird das Gericht auf dieser Tatbestandsgrundlage zu entscheiden und gegebenenfalls nach § 287 Abs. 2 ZPO durch Schätzung zu ermitteln haben, in welcher Höhe (fiktive) Instandhaltungskosten abzusetzen sind, darf aber nicht schlicht davon absehen, sich mit dem Rechenwerk des Vermieters überhaupt zu befassen.
(Anschluss/Umsetzung BGH – VIII ZR 369/18 –, Urt. v. 11.11.20, GE 2021, 237 ff.)
2. Die Kosten des erstmaligen Einbaus einer zeitgemäßen Elektroanlage sind insgesamt als Modernisierungskosten zu berücksichtigen, wenn die vor der Modernisierung vorhandene Elektroanlage zwar Bestandsschutz genoss, aber jegliche Veränderung das Erfordernis ihrer vollständigen Erneuerung mit sich gebracht hätte. War die vorhandene Elektroinstallation schlicht nicht instandsetzungsfähig, so spricht dies entscheidend gegen den Ansatz fiktiver Instandsetzungskosten. Der Umstand, dass die Wohnung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ohne eine hinreichende Anzahl gleichzeitig belastbarer Steckdosen mangelhaft wäre, stellt den Modernisierungscharakter der Maßnahme nicht in Frage.
Verfahrensgang
AG Berlin-Charlottenburg (Aktenzeichen 232 C 76/20) |
Tenor
Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen zu nachfolgenden Hinweisen:
a) Der Berufung des Beklagten sind Erfolgsaussichten nicht abzusprechen. Das Amtsgericht hätte die weitere Prüfung der Voraussetzungen des § 556f Satz 2 BGB nicht mit der Begründung ablehnen dürfen, dass der Beklagte die Erfüllung der gerichtlichen Auflage unterlassen und nicht hinreichend zum Zustand der Wohnung vor Durchführung der behaupteten Modernisierungsmaßnahmen vorgetragen habe. Darin hat eine Verletzung des grundrechtsgleichen Anspruchs des Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs gelegen, sodass die Kammer auf entsprechende Hilfsanträge der Parteien zu erwägen hätte, die Sache unter Aufhebung des Urteils und des fehlerhaften Verfahrens gemäß § 538 ZPO an das Amtsgericht zurückzuverweisen.
aa) Das Amtsgericht hat zum einen übersehen, dass nach schlüssiger Darstellung des Beklagten hier keine reinen Erhaltungsmaßnahmen im Sinne des § 555a Abs. 1 BGB durchgeführt wurden, sondern sämtliche vorgetragenen Baumaßnahmen jedenfalls auch auf eine Modernisierung im Sinne des § 555b BGB gerichtet waren. Wie der Bundesgerichtshof in der vom Amtsgericht in Bezug genommenen Entscheidung vom November 2020 aufgezeigt hat (vgl. BGH – VIII ZR 369/18 –, Urt. v. 11.11.20, GE 2021, 237 ff., Rn. 26 ff., zitiert nach juris), können modernisierungsbedingte Baukosten zwar um (fiktive) Instandhaltungsaufwände zu kürzen sein, soweit im Zuge der Modernisierung zugleich (teil-)abgenutzte Bauteile oder Einrichtungen der Wohnung ersetzt werden. Selbst wenn hinsichtlich sämtlicher auch schon vor einer Modernisierung vorhandenen Bauteile und Einrichtungen unterstellt würde, dass diese ihre zu erwartende Nutzungsdauer erreicht oder überschritten hatten und wirtschaftlich voll abgeschrieben waren, kann dies aber nicht zu einer Kürzung der Modernisierungskosten um 100 % führen, sondern allenfalls dazu, dass die anteiligen Kosten – nur – der an Stelle der vormals vorhandenen neu errichteten Bauteile und neu beschafften Einrichtungen um einen (fiktiven) Instandhaltungsanteil zu vermindern sind.
Nach den allgemeinen Regeln ist es auch nicht so, dass das Gericht sich mit den von Vermieterseite an Hand der eingeführten Rechnungen dargelegten Modernisierungskosten gar nicht mehr zu befassen hätte, wenn der Vermieter hinreichenden Vortrag zu den (fiktiven) Instandhaltungsanteilen unterlässt. Es obliegt dann vielmehr dem Mieter, die eingeführten Rechnungen zu prüfen und aufzuzeigen, welche abgerechneten Bauteile oder Einrichtungen schon vor den Baumaßnahmen vorhanden gewesen sein...