Tenor

  • Das Verfahren wird der Kammer übertragen.
  • Die Erinnerung des Zeugenbeistands Rechtsanwalt … gegen den Beschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 27. September 2006 wird als unbegründet verworfen.
  • Die Beschwerde wird zugelassen.
 

Gründe

Der Erinnerungsführer, Rechtsanwalt …, ist dem Zeugen … in der Sitzung vom 25. August 2006 durch den Vorsitzenden gemäß § 68b Satz 2 Nr. 3 StPO “für die Dauer seiner heutigen Vernehmung beigeordnet worden.” Mit Antrag vom 29. August 2006 machte Rechtsanwalt … für diese Tätigkeit folgende Gebühren und Auslagen geltend:

Grundgebühr gem. Nr. 4100 VV-RVG

132,00 €

Terminsgebühr gem. Nr. 4114 VV-RVG

216,00 €

Auslagenpauschale gem. Nr. 7002 VV-RVG

20,00 €

Mehrwertsteuer

58,88 €

insgesamt

426,88 €

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat mit dem angefochtenen Beschluss die erstattungsfähigen Gebühren und Auslagen hingegen wie folgt festgesetzt:

Verfahrensgebühr gem. Nr. 4301 Nr. 4 VV-RVG

168,00 €

Auslagenpauschale gem. Nr. 7002 VV-RVG

20,00 €

Mehrwertsteuer

30,08 €

insgesamt

218,08 €

Wegen der Begründung für die Absetzung wird auf den angefochtenen Beschluss verwiesen.

Gegen die erfolgte Festsetzung wendet sich Rechtsanwalt … mit der zulässig erhobenen Erinnerung, der die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle nicht abgeholfen hat.

1. Die Entscheidung über die Erinnerung war gemäß §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 8 Satz 2 RVG der Kammer zur Entscheidung zu übertragen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle weicht mit der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich von der Rechtsprechung der Senate des Kammergerichts ab, die dem Zeugenbeistand (zumindest) die Gebühren nach Nrn. 4100 und 4114 VV-RVG zubilligt, die der Erinnerungsführer geltend macht. Die angefochtene Entscheidung wirft damit die für die Einheitlichkeit der Rechtsprechung im Kammergerichtsbezirk bedeutsame Frage auf, ob an der Entscheidungspraxis der Beschwerdesenate festzuhalten ist.

2. Die Erinnerung ist unbegründet.

Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte zur Frage des Gebührenanspruchs eines Zeugenbeistandes ist uneinheitlich. Ein Teil der Beschwerdesenate billigt dem Zeugenbeistand Grund-, Verfahrens- und Terminsgebühr aus dem 1. Abschnitt des 4. Teils des Vergütungsverzeichnisses zu, ein anderer Teil hält nur die Grund- und Terminsgebühr für berechtigt (vgl. im einzelnen die Nachweise in KG, Beschluss vom 15. März 2006 – 5 Ws 506/05 –). Die von der Bezirksrevisorin beim Landgericht Berlin geteilte Auffassung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle wird, soweit ersichtlich, allein vom OLG Oldenburg vertreten (Beschlüsse vom 20. Dezember 2005 – 1 Ws 600/05 – und vom 18. Juli 2006 – 1 Ws 363/06 –).

Die Kammer folgt der überzeugenden Argumentation des OLG Oldenburg.

Die von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle festgesetzte Verfahrensgebühr gemäß Nr. 4301 Nr. 4 VV-RVG entsteht “für die Beistandsleistung bei einer richterlichen Vernehmung”. Eben eine solche Einzeltätigkeit ist dem Erinnerungsführer durch seine Bestellung als Zeugenbeistand “für die Dauer” der “heutigen Vernehmung” übertragen worden. Gründe, ihn für diese – im vorliegenden Fall nur wenige Minuten dauernde – Tätigkeit wie einen mit einer vollumfänglichen Vertretung beauftragten Verteidiger zu honorieren, sind nicht ersichtlich.

Soweit die obergerichtliche Rechtsprechung, zum Teil unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien (so auch KG, Beschluss vom 15. März 2006 a.a.O.), sich für ihre Auffassung darauf beruft, dass der Gesetzgeber ausdrücklich angeordnet habe, dass auf die in Vorbemerkung 4 Absatz 1 VV-RVG genannten Personen und damit auch auf den Zeugenbeistand die Vorschriften des für den Verteidiger geltenden Abschnitts anzuwenden seien, vermag dies die Kammer nicht zu überzeugen. Ein solcher Wille des Gesetzgebers ist in dieser Eindeutigkeit weder den Materialien zu entnehmen noch in den Gesetzeswortlaut eingeflossen.

Vorbemerkung 4 Absatz 1 VV-RVG bezieht sich nach ihrer systematischen Stellung auf alle Abschnitte des 4. Teils. Sie trägt daher auch die Anwendung von Nr. 4301 Nr. 4 VV-RVG für den Zeugenbeistand. Hätte der Gesetzgeber für die in der Vorbemerkung genannten Personen in jedem Falle die Gebühren eines Verteidigers im Sinne des 1. Abschnitts des 4. Teils für angemessen erachtet, so hätte er dies naheliegend in der Vorbemerkung 4.1. geregelt.

Gegenteiliges ergeben auch die Gesetzesmaterialien nicht. In der amtlichen Begründung (BT-Ds. 15/1971, S. 220) heißt es hierzu:

“Neu ist, dass der Rechtsanwalt auch im Strafverfahren als Beistand für einen Zeugen oder Sachverständigen die gleichen Gebühren wie ein Verteidiger erhalten soll. Damit sollen erstmals auch im Strafverfahren die Gebühren eines Rechtsanwalts für seine Tätigkeit als Beistand für einen Zeugen oder Sachverständigen geregelt werden. Die Gleichstellung mit einem Verteidiger ist sachgerecht, weil die Gebührenrahmen ausreichenden Spielraum bieten, dem konkreten Arbeitsaufwand des Rechtsanwalts Rechnung zu tragen. Bei der Bestim...

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