Verfahrensgang
AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 07.06.1999; Aktenzeichen 246 Ds 806/98) |
Tenor
...
wird die Beschwerde des Rechtsanwalts Dr. Zieger gegen den Beschluß des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 7. Juni 1999 verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
I.
Unter dem 3. Dezember 1998 erhob die Amtsanwaltschaft Berlin Anklage gegen den Angeschuldigten ... wegen des Vorwurfs der Körperverletzung. Nach Anhörung des Angeschuldigten ... und auf dessen Antrag ordnete der Vorsitzende der Abteilung 246 des Amtsgerichts Tiergarten dem Angeschuldigten, dem im Falle einer Verurteilung der Widerruf zweier Strafaussetzungen zur Bewährung drohte, mit Verfügung vom 18. Januar 1999 Herrn Rechtsanwalt Dr. Zieger gemäß § 140 Abs. 2 StPO als Pflichtverteidiger bei. Durch Beschluß vom 10. Februar 1999 eröffnete das Amtsgericht Tiergarten in Berlin das Hauptverfahren gegen den Angeschuldigten ... und beraumte nach Absprache mit dem Verteidigerbüro Termin zur Hauptverhandlung auf den 7. Juni 1999 an. Die Ladung zum Hauptverhandlungstermin erhielt Rechtsanwalt Dr. Zieger am 19. Februar 1999.
Am 19. April 1999 wurde Rechtsanwalt Dr. Zieger von dem Vorsitzenden einer Strafkammer des Landgerichts Berlin für ein anderes Verfahren einem der dortigen Angeklagten als Pflichtverteidiger beigeordnet. Bei diesem Verfahren war der zweite Hauptverhandlungstag ebenfalls auf den 7. Juni 1999 festgesetzt.
Am 7. Juni 1999 nahm Rechtsanwalt Dr. Zieger den ganztägigen Termin vor dem Landgericht Berlin war und schickte seine Stationsreferendarin, Frau Dominique Schimmel, mit einer Untervollmacht zur Wahrnehmung des Termins vor dem Amtsgericht Tiergarten in Berlin. Der Vorsitzende der Abteilung 246 des Amtsgerichts wies auf die Unzulässigkeit einer Übertragung der Verteidigung auf eine Referendarin hin und lehnte auch deren Beiordnung als Pflichtverteidigerin für diesen Tag anstelle des abwesenden Rechtsanwaltes Dr. Zieger ab. Rechtsanwalt Dr. Zieger übermittelte durch die Referendarin den Antrag, dann die Hauptverhandlung auszusetzen. Durch den angefochtenen Beschluß vom 7. Juni 1999 hat der Vorsitzende der Abteilung 246 des Amtsgerichts Tiergarten die Hauptverhandlung wegen des Nichterscheinens des beigeordneten Rechtsanwalts Dr. Zieger ausgesetzt und unter Anwendung des § 145 Abs. 4 StPO die Kosten dieses Hauptverhandlungstermins Rechtsanwalt Dr. Zieger auferlegt.
II.
Die dagegen gerichtete Beschwerde des Rechtsanwaltes Dr. Zieger ist gemäß § 304 Abs. 1 StPO zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Die Entscheidung des Vorsitzenden der Abteilung 246 des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 7. Juni 1999, die Hauptverhandlung gemäß § 145 Abs. 1 Satz 2 StPO auszusetzen und die dadurch verursachten Kosten gemäß § 145 Abs. 4 StPO dem ausgebliebenen Pflichtverteidiger Dr. Zieger aufzuerlegen, ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
1.
Zwar folgt schon aus dem Wortlaut des § 142 Abs. 2 StPO, daß auch ein Referendar mit bestandenem ersten juristischen Staatsexamen vom Amtsgericht als Pflichtverteidiger bestellt werden kann, wenn er seit mindestens 1 Jahr und 3 Monaten im juristischen Vorbereitungsdienst tätig ist und nicht vor der Abteilung verteidigt, der der Richter angehört, dem er zur Ausbildung zugewiesen ist (allgemeine Ansicht: vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Auflage 1999, RN 18 zu § 142 StPO m.w.N.; KK-Laufhütte, StPO, 4. Auflage 1999, RN 6 zu § 142 StPO m.w.N.).
Diese Voraussetzungen lagen bei der Referendarin Schimmel, die sich seit 1 Jahr und 9 Monaten im juristischen Vorbereitungsdienst befand und nicht der Abteilung 246 beim Amtsgericht zur Ausbildung zugeteilt war, vor. Daraus folgt für die Kammer, daß die Referendarin Schimmel theoretisch sogar von Anfang an als Pflichtverteidigerin für eine Verteidigung vor dem Amtsgericht hätte bestellt werden können. Wenn aber eine Bestellung schon vor Beginn der Hauptverhandlung zulässig ist, so ist auch eine Bestellung in der Hauptverhandlung bzw. auch bei Fortsetzungsterminen anstelle des verhinderten Pflichtverteidigers grundsätzlich zulässig.
Allerdings erfolgt dies nicht durch die Erteilung einer Untervollmacht durch den bestellten Pflichtverteidiger, da § 139 StPO nur für den Wahlverteidiger, nicht aber für den Pflichtverteidiger gilt (herrschende Ansicht: BGH NJW 1958, 1308 f.; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Auflage 1999, RN 1 zu § 139 StPO).
2.
Davon zu unterscheiden ist jedoch die Frage, ob der Vorsitzende einer Abteilung des Amtsgerichts bei Ausbleiben des bestellten Pflichtverteidigers faktisch gezwungen werden kann, den von diesem zu seiner Vertretung geschickten Referendar als Pflichtverteidiger zu bestellen, bzw. ob das gleichzeitige Fernbleiben des bestellten Pflichtverteidigers dann ein die Aussetzung der Verhandlung erforderlich machendes Verschulden darstellt oder nicht.
Diese Frage regeln die §§ 139 und 142 Abs. 2 StPO nur mittelbar, weil sich ihr Anwendungs- bzw. Regelungsbereich in der Frage der Voraussetzungen erschöpft, ...