Entscheidungsstichwort (Thema)

Wohnraummiete: Verwirkung von Mietzinsansprüchen bei widerspruchsloser Hinnahme einer Mietminderung

 

Leitsatz (amtlich)

Hat der Vermieter über einen längeren Zeitraum unwidersprochen die von dem Mieter durchgeführte Minderung hingenommen, ist dadurch allein sein Anspruch auf Zahlung der Mietrückstände nicht verwirkt (gegen LG Berlin, 2. April 1998, 67 S 442/97, MM 1998, 312; LG Hamburg, 25. Oktober 1990, 307 S 231/90, WuM 1991, 38 und OLG Hamburg, 9. Dezember 1998, 4 U 32/97, ZMR 1999, 328).

 

Tenor

Auf die Berufungen der Parteien wird - unter deren jeweiligen Zurückweisung im Übrigen - das am 21. November 2001 verkündete Urteil des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg - 4 C 421/01 - geändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Euro 3.949,18 (7.723,92 DM) nebst 4 % Zinsen aus Euro 902,49 seit dem 08. September 2001 und Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 1 DÜG von 08. September 2001 bis 31. Dezember 2001 und nebst 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB n.F. aus Euro 3.046,69 seit dem 01. Januar 2002 zu zahlen.

2. Auf die Klageerweiterung in zweiter Instanz wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin weitere Euro 3.067,75 (6000,00 DM) nebst 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 1 DÜG von 08. September 2001 bis 31. Dezember 2001 und nebst 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB n.F. seit dem 01. Januar 2002 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, hinsichtlich des Tenors zu 1) nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages.

 

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 I 1 ZPO a.F.i.V.m. § 26 Nr. 5 EGZPO abgesehen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Hauptsache vollen, die Berufung der Beklagten nur hinsichtlich der Zinshöhe teilweise Erfolg.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung von rückständiger Miete für die Zeit von Februar 2000 bis Juli 2001 in Höhe von 7.732,92 DM aus § 535 II BGB. Die Klägerin hat gegen die Beklagte ferner einen Anspruch auf Zahlung der Kellermiete für die Monate April 1998 bis Juli 2001 in Höhe von insgesamt 6.000,00 DM.

Eine Minderung der Miete durch die Beklagte kommt nicht in Betracht. Zum einen sind Mängel schon nicht substantiiert vorgetragen. Es ist nicht ersichtlich, wann der vertragsgemäße Gebrauch der Wohnung an welcher Stelle durch welchen Mangel beeinträchtigt gewesen sein soll. Die Beklagte bezieht sich zwar auf ihre Mängelanzeigen vom 10. März 1998 (BL. 23 d. A.) und vom 10. September 1998 (Bl. 26 d. A.). Bei Feuchtigkeit handelt es sich jedoch um einen sich verändernden Mangel, zumal die Beklagte in ihren Mängelanzeigen selbst darauf hinweist, dass es bei starken Regenfällen zu feuchten Stellen kommen soll. Für den streitgegenständlichen Zeitraum fehlt es an jeglicher Darlegung. Substantiierter Vortrag findet sich auch nicht zur angeblichen unwirtschaftlichen Beheizbarkeit des Kellers und zur unterbundenen Warenanlieferung.

Zudem weist das Amtsgericht zutreffend darauf hin, dass eine Minderung an der vorbehaltlosen Zahlung der Miete in der Vergangenheit scheitert, § 539 BGB a. F. analog. Soweit das Amtsgericht allerdings ausführt, das Minderungsrecht lebte wieder auf, weil die Klägerin mit Schreiben vom 18. Mai 1998 und 31. August 1998 eine Minderung für die Monate April bis Juli 1998 zuerkannt habe, überzeugt dies nicht. Es ist bereits nicht ersichtlich, auf welcher rechtlichen Grundlage dies zu einem Wiederaufleben führen sollte. Dies gilt umso mehr, als das Amtsgericht selbst ausführt, in dem letztgenannten Schreiben habe der Kläger die volle Miete ab August 1998 gefordert. Soweit das Amtsgericht im Weiteren meint, der Vermieter könne nach längerer Hinnahme einer Minderung deren Berechtigung nicht mehr bestreiten, überzeugt auch das nicht. Soweit das LG Hamburg (WuM 1990, 498; 1991, 38) in den vom Amtsgericht angeführten Entscheidungen darauf abstellt, dass die Voraussetzungen einer Verwirkung gegeben seien, ist dies unzutreffend. Der Gesichtspunkt der Verwirkung ist auf Ausnahmefälle zu beschränken (BGH NJW 1984, 1684, 1685). Bei einer Hinnahme einer Minderung für den Zeitraum von etwa zwei Jahren ist bereits das für eine Verwirkung erforderliche Zeitmoment nicht erfüllt (vgl. BGH NJW 1982, 1755, 1756). Ein Umstandsmoment liegt ebenfalls nicht vor. Die Ansicht, der Mieter dürfe aus einem Schweigen des Vermieters auf die Anzeige einer Mietminderung folgern, dass der Vermieter diese akzeptiere, entbehrt jeglicher Grundlage. Die Minderung tritt von Gesetzes wegen ein. Es bedarf also weder einer Zustimmung noch eines Widerspruchs des Vermieters. Darüber hinaus spricht doch schon die allgemeine Lebenserfahrung dafür, dass der Vermieter seine Miete in voller Höhe haben will. Schweigen ist darüber hinaus keine Erklärung und schon gar kein...

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