Entscheidungsstichwort (Thema)
Mietrechtsstreit: Anforderungen an die Darlegung von Mietminderungsansprüchen wegen Baulärmbeeinträchtigung einer City-Wohnung. Mietrechtsstreit: verspätete Geltendmachung von Minderungsansprüchen nach Mietzahlung unter Vorbehalt
Orientierungssatz
1. Wenn der Mieter einer zentral in der City gelegenen Wohnung Mietminderungsansprüche wegen der Beeinträchtigung durch Baulärm geltend machen will, hat er die tatsächlich in seiner Wohnung wahrnehmbaren Beeinträchtigungen nach Art und Ausmaß mindestens nach gewissen Zeitabschnitten zu beschreiben. Eine Vermutung, daß Baulärm immer auch zu Lärmbeeinträchtigungen führt, besteht nicht.
2. Zahlt der Wohnungsmieter die Miete unter Vorbehalt, muß er aus dem erklärten Vorbehalt binnen angemessener Zeit Konsequenzen ziehen und entsprechende Rechte herleiten. Er muß jedenfalls spätestens nach Beendigung der Bauarbeiten (hier: im Jahre 1997), die Anlaß für den Vorbehalt waren, tätig werden. Denn der für die Beurteilung der Minderung maßgebliche Sachverhalt war damit abgeschlossen. Die Geltendmachung des Vorbehalts im vorliegenden Mietrechtsstreit (im Wege der Hilfsaufrechnung) ist jedenfalls nicht mehr innerhalb angemessener Frist erfolgt.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen und der Anschlussberufung des Beklagten - das am 16. Dezember 2002 verkündete Urteil des Amtsgerichts Tiergarten - 8a C 245/02 - abgeändert und insgesamt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 10.453,33 DM (= 5.344,70 EUR) nebst 4 % Zinsen aus 6.881,00 DM (= 3.518,20 EUR) seit dem 1. Januar 2002, sowie nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 3.151,25 DM (= 1.611,21 EUR) seit dem 1. Januar 2002 sowie aus 421,08 DM (= 215,29 EUR) seit dem 2. Oktober 2002 zu zahlen.
Wegen des weitergehenden Zinsanspruchs wird die Klage abgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Gründe
Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen. Die Parteien begehren mit Berufung und Anschlussberufung jeweils ihr erstinstanzliches Klagebegehren weiter, soweit ihm durch das angefochtenen Urteil nicht Rechnung getragen worden ist.
I. Berufung der Klägerin
Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet.
Der Beklagte schuldet gemäß § 535 Satz 2 BGB a.F. bzw. § 535 Abs. 2 BGB n.F. restliche Mieten für Januar 1998 bis Dezember 2000 in Höhe von insgesamt 8.958,28 DM (= 4.580,30 EUR). Die Einbehalte des Beklagten in dieser Höhe sind unstreitig.
Ohne Erfolg beruft er sich darauf, dass die Klageforderung nicht hinreichend bestimmt sei. Denn die Klageforderung entspricht den vom Beklagten mit Schreiben vom 18. Juni 1997 bzw. 27. April 1998 angekündigten Einbehalten von monatlich 162,29 DM bzw. 259,66 DM, nämlich 25 % bzw. 40 % der Gesamtmiete von 649,16 DM. Mangels ausdrücklicher Bestimmung durfte die Klägerin diese zunächst auf die unstreitigen Nebenkostenvorschüsse bzw. -pauschalen verrechnen und zuletzt auf die infolge der von dem Beklagten geltend gemachten Minderung streitige Miete im Übrigen.
Die Ansprüche der Klägerin sind nicht gemäß § 242 BGB verwirkt. Es kann dahinstehen, ob nach mehr als vier Jahren seit Beginn der Minderung das sog. Zeitmoment erfüllt ist. Jedenfalls fehlt es an dem sog. Umstandsmoment. Hierfür ist neben dem Untätigbleiben Gläubigers erforderlich, dass der Schuldner aufgrund eines tatsächlichen Verhaltens des Schuldners darauf vertrauen durfte, dass seine Forderungen nicht mehr geltend machen werde. Sowohl der Widerspruch gegen die Minderung im Schreiben der Klägerin vom 25. Mai 1998 als auch die Übersendung eines Kontoauszugs mit Rückständen mit Schreiben vom 20. Oktober 2000 sind Umstände, die gegen eine Verwirkung sprechen und nicht ein derartiges Vertrauen rechtfertigen (Palandt-Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 242 BGB, Rn 93 ff.). Es kann dahinstehen, mit welchem Nachdruck die Klägerin damals ihre Forderungen verfolgt hat. Dass sie darauf verzichten oder sie nicht mehr geltend machen wollte, konnte der Beklagte bei dieser Sachlage nicht annehmen. Auf welche Umstände er gleichwohl ein solches Vertrauen stützen kann, ist nicht ersichtlich. Die vom Amtsgericht in Bezug auf das Vorliegen des Umstandsmoments herangezogene Darlegungs- und Beweisposition des Beklagten stützt sich allein auf Umstände, die gerade im Zeitablauf liegen, nicht aber auf Umstände neben der verstrichenen Zeit. Allein das Vorliegen des Zeitmoment reicht zur Annahme einer Verwirkung nicht aus.
Die von dem Beklagten geschuldete Miete ist nicht gemäß § 537 BGB a.F. bzw. § 536 BGB n.F. gemindert. Dem Beklagten stehen Minderungsansprüche nicht zu, denn es ist nicht ersichtlich, dass der Gebrauch seiner Wohnung durch Baulärm erheblich beeinträchtigt war.
Soweit sich der Beklagte für die Zeit ab 1998 auf Minderungsansprüche beruft, wären diese nicht entsprechend § 539 BGB a.F. ausgeschlossen. Zwar bestanden nach seinen Angaben Beeinträchtigungen durch B...