Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Begründung einer Kündigung wegen Eigenbedarfs. zur Dauer der Räumungsfrist
Orientierungssatz
1. Beabsichtigt der Vermieter sich von seinem Ehepartner und den Kindern zu trennen, so ist das Vorliegen von Eigenbedarf für die gekündigte Wohnung, in der er seine Familie unterbringen will, zu bejahen, weil hierdurch die Familienbindung - insbesondere zu den Kindern - nicht aufgehoben wird.
2. Besteht eine derartige Trennungsabsicht nicht, so ist allein der Wunsch des Vermieters, Ehefrau und Kinder in einer anderen Wohnung als in der jetzigen Ehewohnung unterzubringen, ausreichend und nicht als willkürlich anzusehen, denn die Nutzung des Eigentums soll es dem Eigentümer ermögliche, sein Leben nach eigenen, selbstverantwortlich entwickelten Vorstellungen zu gestalten (vergleiche BVerfG, 1989-02-14, 1 BvR 308/88, WuM 1989, 114).
3. Die für die Räumung der gekündigten Wohnung zuzugestehende Räumungsfrist ist anhand des Wohnungsangebotes zu bestimmen, das für den Mieter erschwinglich ist.
Gründe
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
Das AG hat die Beklagte zu Recht zur Räumung verurteilt. Das Mietverhältnis zwischen den Parteien ist durch die Kündigung des Klägers v. 13.4.1988 beendet worden (§ 564b Abs. 2 Ziff. 2 BGB).
Der Kläger hat im Sinne dieser Vorschrift Eigenbedarf an der streitgegenständlichen Wohnung, weil er - insoweit unstreitig - beabsichtigt, seine Ehefrau und seine Kinder dort unterzubringen. Auf die Frage, ob er ernsthaft beabsichtigt, sich von seiner Ehefrau zu trennen bzw. sich in absehbarer Zeit scheiden zu lassen, kommt es nicht an. Besteht eine Trennungsabsicht, so ist das Vorliegen von Eigenbedarf zu bejahen, weil - wie bereits das AG zutreffend ausgeführt hat - hierdurch die Familienbindung - insbesondere zu den Kindern - nicht aufgehoben wird. Besteht eine derartige Trennungsabsicht nicht, so ist allein der Wunsch des Klägers, Frau und Kinder in einer anderen Wohnung als in der jetzigen Ehewohnung unterzubringen, ausreichend und nicht als willkürlich anzusehen, denn die "Nutzung (des Eigentums) soll (es) dem Eigentümer ermöglichen, sein Leben nach eigenen, selbstverantwortlich entwickelten Vorstellungen zu gestalten" (Seite 17 des Urteils des BVerfG v. 14.2.1989 - BvR 308, 336 und 356/88 (= WM 1989, 14ff.)).
Hierunter fällt sowohl der Wunsch, mit dem Ehegatten zusammen mehrere Wohnungen zu bewohnen, als auch eine Ehe ohne häusliche Gemeinschaft zu führen, auch wenn die häusliche Gemeinschaft an sich Bestandteil der ehelichen Lebensgemeinschaft ist (Palandt/Diederichsen, 46. Aufl., § 1353 BGB, Anm. 2b bb). Letzteres hat jedoch nur dann Bedeutung, wenn der eine Ehegatte gegen den anderen auf Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft klagt; gegenüber Dritten sind die Ehegatten insoweit keinen Beschränkungen bzw. Bindungen unterworfen und können ihre Ehe frei gestalten, zumal bereits nach dem RE des BGH v. 20.1.1988 (GE 1988, 189 (= WM 1988, 47)), an welchen die Kammer gebunden ist, eine konkrete Bedarfssituation nicht Voraussetzung für den Eigenbedarf ist, so daß sich der Vermieter auch dann auf Eigenbedarf berufen kann, wenn ihm an sich ausreichender Wohnraum bereits zur Verfügung steht.
Daß der Kläger und seine Ehefrau bereits seit 1985 in verschiedenen Wohnungen gewohnt haben, ergibt sich im übrigen auch aus dem von ihm eingereichten Auszug des Einwohnermeldeamtes v. 23.2.1989: Danach haben der Kläger und seine Frau von 1971 bis Sommer 1985 gemeinsam in der D.-Straße gewohnt, anschließend ist die Ehefrau in die W.-Straße gezogen, wo auch der Kläger seit dem 6.10.1988 wohnt; letzteres ist jedoch darauf zurückzuführen, daß der Kläger und seine Ehefrau durch das Urteil des LG Berlin v. 25.2.1988 rechtskräftig zur Räumung der Wohnung in der D.-Str. verurteilt worden sind.
Die auf Eigenbedarf gestützte Kündigung ist auch nicht deswegen als rechtsmißbräuchlich anzusehen, weil dem Kläger etwa andere Wohnungen in dem ihm gehörenden Haus J.-Straße zur Verfügung stehen. Die von der Beklagten erwähnte Wohnung in der dritten Etage links ist bereits seit dem 22.6.1987 anderweitig vermietet und verfügt darüberhinaus - im Gegensatz zur streitgegenständlichen Wohnung - nicht über eine Zentralheizung. Bei den übrigen Wohnungen, welche freistehen, handelt es sich nach dem Vorbringen des Klägers, welchem die Beklagte nicht entgegengetreten ist, um Ein-Zimmer-Wohnungen im Sanierungszustand.
In Anbetracht der gerichtsbekannten schlechten Wohnungsmarktsituation in Berlin für Normalverdiener war der Beklagten, welche 1.800,- DM netto monatlich verdient, und die daher allenfalls eine Miete um 600,- DM monatlich (1/3 des monatlichen Nettoeinkommens) aufbringen kann, eine Räumungsfrist von 6 Monaten zu gewähren (§ 721 ZPO).
Fundstellen