rechtskräftig

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Schöneberg (Urteil vom 11.01.2021; Aktenzeichen 770 C 70/19)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers zu 1) wird das am 11.1.2021 verkündete Urteil des Amtsgerichts Schöneberg abgeändert. Der in der Eigentümerversammlung am 9.9.2019 zu Tagesordnungspunkt 3 gefasste Beschluss wird für ungültig erklärt.

2. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Beklagten sowie die Kläger zu 2) und 3) zu tragen. Die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz haben die Beklagten und der Kläger zu 3) zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

I.

Von der Darstellung des Sach- und Streitstandes in tatsächlicher Hinsicht sowie der Anträge der Parteien wird nach Maßgabe der §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 2 ZPO in Verbindung mit § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO abgesehen. Da die Kammer die Revision nicht zugelassen hat, ist ein weiteres Rechtsmittel unzweifelhaft nicht gegeben. Die Beklagten können die Nichtzulassung der Revision auch nicht mit der Nichtzulassungsbeschwerde gem. § 544 Abs. 1 ZPO angreifen, da die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht nur zulässig ist, wenn der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 EUR übersteigt, § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im übrigen zulässige Berufung ist begründet.

1.

Die Anfechtungsklage ist zulässig.

a) Das Rechtsschutzinteresse für die Anfechtungsklage ist nicht deshalb entfallen, weil die Bestellung der Verwalterin nach Maßgabe des Bestellungsbeschlusses vom 18.5.2018 lediglich bis zum 30.6.2021 befristet und das Bestellungsrechtsverhältnis deshalb im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 136 Abs. 4 ZPO) bereits beendet war. Nach der ständigen und gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Rechtsschutzinteresse im Beschlussanfechtungsverfahren im Regelfall nicht zu prüfen, weil das Anfechtungsrecht dem Interesse der Gemeinschaft an einer ordnungsmäßigen Verwaltung dient. Es entfällt deshalb nur ausnahmsweise, wenn ein Erfolg der Klage den Wohnungseigentümern oder der Gemeinschaft keinen Nutzen mehr bringen kann. Diese Gewissheit besteht hier nicht, denn die vom Kläger angestrebte Ungültigerklärung des Beschlusses schließt in einem möglichen Folgeprozess den Einwand aus, die Beschlussfassung habe den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung entsprochen; vielmehr steht im Verhältnis der Verfahrensbeteiligten fest, dass die Beschlussfassung nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprach (vgl. zum Vorstehenden: BGH v. 5.7.2019 – V ZR 278/17, WuM 2020, 111, 112, Rz. 11).

b) Das Rechtsschutzinteresse für eine Ungültigerklärung des angefochtenen Beschluses fehlt auch nicht deshalb, weil die Verwalterin nach der Behauptung der Beklagten in der Eigentümerversammlung am 9.9.2019 und vor der Beschlussfassung über ihre Abberufung die Niederlegung ihres Amtes erklärt haben soll, so dass der Abberufungsbeschluss die mit ihm intendierten Wirkungen von vornherein nicht mehr entfalten konnte. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts hat die Klägerin zu 2) eine solche Erklärung in der Versammlung nicht abgegeben. Diese Feststellung ist für die Kammer bindend, denn das Berufungsgericht hat nach § 529 Abs. 1 ZPO seiner Verhandlung und Entscheidung grundsätzlich die von dem Gericht des ersten Rechtszugs festgestellten Tatsachen zu Grunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten (BGH v. 9.3.2015 – VIII ZR 266/03, BGHZ 162, 313 = NJW 2005, 1583, 1584). Zweifel an der Richtigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen im Sinne des § 529 Abs. 1 ZPO sind indes nicht berechtigt, wenn das Ausgangsgericht bei deren Erarbeitung die Vorschriften betreffend die Durchführung der Beweisaufnahme eingehalten und insbesondere die Grundsätze der freien Beweiswürdigung nach § 286 ZPO beachtet hat. Das die Feststellungen des Amtsgerichts in diesem Sinne fehlerhaft zustande gekommen sind, ist nicht ersichtlich. Konkrete Beanstandungen haben die Beklagten in ihrer Erwiderung auf die Berufungsbegründung im Übrigen auch selbst nicht vorgetragen.

2.

Die zulässige Klage ist – entgegen der Rechtsauffassung des Amtsgerichts – auch begründet. Der in der Eigentümerversammlung am 9.9.2019 gefasste Abberufungsbeschluss verstößt gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung, da ein wichtiger Grund für eine Abberufung nicht vorgelegen hat. Maßgeblich für diese Bewertung ist die Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung (BGH v. 16.1.2009 – V ZR 74/08, NJW 2009, 999, 1000); es ist also das Wohnungseigentumsgesetz in der bis zum 30.11.2020 geltenden Fassung anzuwenden (Suilmann in Jennißen, WEG, 7. Aufl. § 48 Rz. 29).

a) Die Wohnungseigentümerversammlung hat die später abberufene Verwalterin in der Eigentümerversammlung am 18.5.2018 bis zum 30.6.20...

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