Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnraummiete: Eigenbedarf des Vermieters für seine nichtehelichen Kinder und deren Mutter
Orientierungssatz
Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Kündigung eines Mietverhältnisses über Wohnraum besteht auch dann, wenn er die Räume als Wohnung für seine nichtehelichen Kinder und - da diese der Betreuung durch ihre Mutter bedürfen - für deren Mutter benötigt.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 15. August 1990 verkündete Urteil des Amtsgerichts Neukölln - 4 C 214/90 - abgeändert:
Die Beklagten werden verurteilt, das Wohnhaus in ..., ..., bestehend aus 5 Zimmern, Kammer, Küche, Korridor, 2 Bädern, Schwimmhalle sowie Gartengrundstück geräumt an den Kläger herauszugeben.
Den Beklagten wird eine Räumungsfrist bis zum 31. Januar 1992 gewährt.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen haben die Beklagten zu tragen.
Tatbestand
Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen und auf die Feststellungen des angefochtenen Urteils verwiesen.
Entscheidungsgründe
A.
Die Berufung der Beklagten ist statthaft (§ 511 ZPO). Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 516, 518, 519 ZPO), und demgemäß insgesamt zulässig.
B.
Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg und mußte zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen.
Dem Kläger steht ein Räumungsanspruch gegen die Beklagten aus § 556 Abs. 1 BGB zu, denn das Mietverhältnis ist mit der Kündigung vom 27. November 1989 gemäß § 564 b Abs. 2 Nr. 2 BGB wirksam beendet worden.
I.
Der Kläger macht Eigenbedarf an dem von den Beklagten gemieteten Haus für seine nichtehelichen Kinder und deren Mutter geltend.
Dies steht ihm grundsätzlich nach der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG zu. Zur eigentums-grundrechtlichen garantierten Verfügungsbefugnis des Eigentums gehört nicht nur die Freiheit, das Eigentum zu veräußern und aus seiner Vermietung den Ertrag zu ziehen, der zur finanziellen Grundlage für eine eigenverantwortliche Lebensgestaltung beiträgt. Zur Substanz des Eigentums gehört auch die Freiheit, dieses selbst zu nutzen. Dieser Befugnis begibt sich der Eigentümer durch die Vermietung nicht. Eine Gesetzesauslegung, welche den Willen des Vermieters, seine Wohnung selbst zu nutzen, unberücksichtigt ließe, wäre mit Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG nicht zu vereinbaren (vgl. BVerfG, Grundeigentum 1989, 299, 303).
Eine Nachprüfung des Entschlusses des Vermieters, seine Wohnung selbst zu nutzen, ist danach nicht unbeschränkt zulässig. Die Wohnung eines Menschen ist Teil seines persönlichen Lebenszuschnittes. Der Wunsch, eine bestimmte Wohnung zu nutzen, läßt sich nicht ausschließlich oder in erster Linie an objektiven Kriterien messen. Er hängt vielmehr eng mit dem bisherigen Lebensweg eines Menschen, seinen Zukunftsplänen und seinen persönlichen Vorstellungen und Bedürfnissen zusammen. Dies alles würde in einem Räumungsprozeß aufgrund einer Eigenbedarfskündigung durch die Gerichte bewertet, wenn sie eine unbeschränkte Überprüfungsbefugnis hätten. Eine solche Nachprüfung ginge über das Regelungsziel des § 564 b Abs. 2 Nr. 2 BGB hinaus und wäre deshalb unverhältnismäßig. Auch eine Auslegung, welche dem Eigentümer das Kündigungsrecht allein deshalb versagt, weil er den Bedarfsgrund willentlich herbeigeführt hat, ist grundsätzlich nicht zulässig. Sie würde die Befugnis des Eigentümers mißachten, sein Leben unter Gebrauch seines Eigentums so einzurichten, wie er dies für richtig hält. Fachrichter haben seinen Entschluß, die vermietete Wohnung nunmehr selbst zu nutzen oder durch den - eng gezogenen - Kreis privilegierter Dritter nutzen zu lassen, grundsätzlich zu akzeptieren und ihrer Rechtsfindung zugrunde zu legen (vgl. BVerfG, aaO.).
II.
Im vorliegenden Fall war allein die Frage entscheidungserheblich, ob der Kläger für seine nichtehelichen Kinder und - da diese der Betreuung durch ihre Mutter bedürfen - für deren Mutter Eigenbedarf geltend machen kann.
Wer unter den Begriff der Familienangehörigen fällt, ist umstritten. Teilweise wird unter diesen Begriff der in § 8 Abs. 2 des 2. WohnBauG bezeichneten Personenkreis verstanden. Diese formale Abgrenzung wird nach jetzt herrschender Meinung als zu weitgehend abgelehnt. Die überwiegende Ansicht geht dahin, den Begriff enger zu fassen und ihn auf Verwandte zu beschränken, die dem Vermieter persönlich nahe stehen (Voelskow in MünchKomm., 564 b BGB Rdnr. 60) oder denen der Vermieter rechtlich oder zumindest moralisch zur Unterhaltsgewährung oder sonstiger Fürsorge verpflichtet ist (BayObLG Rechtsentscheid Miet 5/82, WuM 19/84, 14).
Aufgrund der überzeugenden Bekundungen der Zeugin ... steht fest, daß der Kläger der Vater ihrer Kinder ... und ... ist, der die Vaterschaft gegenüber dem Jugendamt anerkannt hat und seinen Unterhaltspflichten nachkommt. Die nichtehelichen Kinder sind direkte Angehörige des Klägers. Sie sind ehelichen Kindern gesetzlich weitgehend gleichgestellt und den Kläger trifft sowohl eine gesetzliche Unterhaltspflicht gege...