Entscheidungsstichwort (Thema)

Wohnraummiete: Anforderungen an das Wiederaufleben des verwirkten Mietminderungsrechts nach der Mietrechtsreform

 

Orientierungssatz

War für einen Zeitraum vor Inkrafttreten der Mietrechtsreform am 1. September 2001 das Minderungsrecht des Mieters verwirkt, so lebt es auch danach nicht automatisch wieder auf, sondern nur dann, wenn der Mieter sich ausdrücklich darauf beruft und sein Minderungsrecht innerhalb eines angemessenen Zeitraums anzeigt und sodann geltend macht.

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 3. April 2003 verkündete Urteil des Amtsgerichts Schöneberg - 106 C 72/02 - abgeändert und neu gefasst:

Die Beklagte werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin 990,47 EUR nebst 4% Zinsen aus 49,52 EUR seit dem 6. April 2000 und 5% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 940,95 EUR seit dem 6. Februar 2001 (Mittelwert) zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen haben die Beklagten als Gesamtschuldner zu tragen.

 

Gründe

Die Kammer nimmt gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug. Die Klägerin verfolgt ihren erstinstanzlichen Antrag weiter.

Die gemäß §§ 511 ff. ZPO zulässige Berufung ist begründet. Die Klägerin kann von den Beklagten Zahlung rückständiger Nettokaltmieten für April 2000 bis einschließlich November 2001 in Höhe von jeweils 96,86 DM (x 20 Monate = 1.937,20 DM = 990,47 EUR) gemäß § 535 Abs. 2 BGB verlangen. Die vereinbarten Mietzahlungen wurden von den Beklagten unstreitig um diesen Betrag gekürzt entrichtet. Ein Recht zur Mietminderung gemäß § 536 Abs. 1 BGB (§ 537 Abs. 1 BGB a. F.) steht den Beklagten für den Zeitraum von April 2000 bis einschließlich August 2001 (dem Zeitraum vor Inkrafttreten der Mietrechtsreform) gemäß § 539 BGB a. F. analog nicht zu. Der Mieter kann sich danach nicht mehr auf ein Recht zur Mietminderung berufen, wenn er die Miete in Kenntnis des Mangels ungekürzt über einen längeren Zeitraum vorbehaltlos entrichtet, wobei regelmäßig eine Frist von 6 Monaten als längerer Zeitraum angesehen werden kann (vgl. BGH NJW 1989, 3222). Der Ausschluss für den genannten Zeitraum ist durch die Einführung des § 536 b BGB n. F. nicht berührt (vgl. BGH GE 2003, 1145).

Unabhängig vom tatsächlichen Vorhandensein von zur Mietminderung berechtigenden erheblichen Mängeln der Mietsache, sind die von den Beklagten eingewandten Mängel jedenfalls zum Teil länger als 6 Monate vor dem Zeitpunkt der letzten Mieterhöhung ab Mai 1997 entstanden. Bis zur Mieterhöhung ab Mai 1997 haben die Beklagten in Kenntnis der nun vorgetragenen Mängel die Miete vorbehaltlos entrichtet. Der Zeuge H hat in seiner erstinstanzlichen Vernehmung insoweit glaubhaft bekundet, dass die Außenfenster seit 1993 verzogen seien, der Austausch des Fallrohres und der Abfluss 1996 oder 1997 instandgesetzt worden sei und der Stuck seit 1992 locker gewesen sei. Ferner sei im August 2002 ein Stück Putz von der Decke gefallen, seit ca. 5 Jahren sei der Durchlauferhitzer unzureichend und die Geräusche von der Heizungsanlage sowie die Feuchtigkeit im Keller hätten auch im April 2000 bereits bestanden. Soweit die Mängel länger als 6 Monate vor der letzten Mieterhöhung vorlagen, ergibt sich der Ausschluss des Minderungsrechts aus der vorangegangenen rügelosen Zahlung. Für den Zeitraum nach dem Wirksamwerden der Mieterhöhung ab Mai 1997 ist anerkannt, dass ein Minderungsrecht gemäß § 539 BGB a. F. analog ausgeschlossenes Minderungsrecht wieder aufleben kann, wobei die Kammer regelmäßig davon ausgeht, dass das Minderungsrecht auf den Erhöhungsbetrag zu berechnen ist (vgl. LG Berlin - ZK 63 - GE 2003, 326) statt vom gesamten Mietzins begrenzt auf den Erhöhungsbetrag (so LG Berlin - ZK 62 - GE 2002, 196). Ein Wiederaufleben von Minderungsrechten nach einer Mieterhöhung setzt jedoch weiter voraus, dass sich der Mieter im Anschluss an die Mieterhöhung innerhalb eines angemessenen Zeitraums erneut auf sein - zuvor ausgeschlossenes - Minderungsrecht beruft. Denn es muss in einem solchen Fall aufgrund des geschützten Vertrauens des Vermieters in die bisherige Nichtgeltendmachung des Minderungsrechts für diesen erkennbar werden, dass der Mieter das Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung als nicht erfüllt ansieht. Der entsprechende Vorbehalt der Mieter ist dabei bereits mit der Zustimmung zum Mieterhöhungsverlangen zu erklären bzw. im Falle einer gerichtlichen Entscheidung innerhalb eines angemessenen Zeitraums danach. Vorliegend haben die Mieter zwar ab dem Zeitpunkt der Mieterhöhung die Miete gekürzt entrichtet, jedoch fehlt es an einem Vortrag bezüglich einer Erklärung über die Geltendmachung eines konkreten Minderungsrechts gegenüber dem Vermieter. So ist nicht erkennbar, welche Mängel seinerzeit ggf. bereits angezeigt waren und für welche Mängel ein Minderungsrecht nach der Erhöhung nunmehr erstmalig durchgesetzt werden sollte. Zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits soll es zwar nach dem Vortrag der Be...

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