Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnraummiete: Vermieterseitiges Bestreiten eines Mangels trotz jahrelanger Duldung einer Mietminderung
Leitsatz (amtlich)
Der Vermieter kann auch nach Hinnahme einer Minderung über einen längeren Zeitraum (hier: drei Jahre) das Vorliegen eines Mangels bestreiten (gegen LG Berlin, ZK 67, 2. April 1998, 67 S 442/97, MM 1998, 312).
Orientierungssatz
Zitierung: Entgegen LG Berlin, 3. Juni 2002, 62 S 565/01, Grundeigentum 2002, 1125.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am ... verkündete Urteil des Amtsgerichts ... geändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 9.357,19 Euro nebst 9,5 % Zinsen aus jeweils 186,65 Euro seit dem 1. November, 1. Dezember 1998, 1. Januar, 1. Februar, 1. März, 1. April, 1. Mai 1999 und 1. Juni 1999, aus jeweils 332,34 Euro seit dem 1. Juli, 1. August, 1. September, 1. Oktober, 1. November, 1. Dezember 1999, 1. Januar und 1. Februar 2000, aus jeweils 259,50 Euro seit dem 1. März und 1. April 2000 sowie 5 % über dem Basiszinssatz aus jeweils 259,50 Euro seit dem 1. Mai, 1. Juni, 1. Juli, 1. August, 1. September, 1. Oktober, 1. November, 1. Dezember 2000, 1. Januar, 1. Februar, 1. März, 1. April, 1. Mai, 1. Juni, 1. Juli und 1. August 2001, aus 274,83 Euro seit dem 1. September und aus 259,50 Euro seit dem 1. Oktober 2001 zu zahlen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 22 % und der Beklagte 78 % zu tragen. Die Kosten der Streitverkündeten zu 1) hat der Beklagte zu 78 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß § 313a ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers ist in Höhe eines Betrages von 9.357,19 Euro begründet, im Übrigen jedoch unbegründet.
Der Kläger hat gegen den Beklagten Anspruch auf Mietzinsreste in ausgesprochener Höhe für die Monate Oktober 1998 bis September 2001. Für den Zeitraum bis Mai 1999 und von Februar 2000 bis September 2001 jedoch nur in geminderter Höhe.
Eine Verwirkung der Klageforderung ist nicht anzunehmen. Es ist bereits fraglich, ob der Zeitablauf von 3 Jahren zwischen der frühesten Forderung und der Klageerhebung ausreicht, um eine Verwirkung zu prüfen. Bezüglich der späteren Forderungen reicht die verstrichene Zeit, die nicht annähernd die Verjährungsfrist erreicht, sicher nicht. Aber auch bezüglich der ältesten Forderung kommt eine Verwirkung nicht in Betracht, denn es sind keine Umstände ersichtlich, die es dem Beklagten erlaubten, darauf zu vertrauen, dass der Kläger sein Recht nicht mehr geltend macht. Dabei kommt es auf die Disposition des Beklagten im Hinblick auf den einbehaltenen Mietzins nicht in erster Linie an, denn zunächst muss der Gläubiger durch sein Verhalten den Eindruck erweckt haben, er mache sein Recht nicht mehr geltend. Dies kann aus dem bloßen Untätigbleiben nicht geschlossen werden, denn der Mietzins war jeweils zum vereinbarten Zahlungstermin fällig und für den Verzug kam es auf eine Mahnung nicht an. Auch darf der Gläubiger grundsätzlich die Verjährungsfrist ausschöpfen, ohne dass er sein Recht verliert. Die erkennende Kammer teilt auch nicht die Ansicht anderer Kammern im Hause (Zivilkammer MM 1998, 312; Zivilkammer GE 2002, 1125), wonach ein Vermieter den Mangel nicht mehr bestreiten kann, wenn er eine Minderung über einen längeren Zeitraum hinnimmt. Abgesehen davon, dass nur Rechte nicht aber tatsächliche Vorgänge der Verwirkung unterliegen, überzeugt auch der Vergleich mit der entsprechenden Anwendung des § 539 a.F. BGB nicht, denn dort geht es um ein aktives Verhalten des Mieters - die Bezahlung des Mietzinses - und nicht nur um bloßes Untätigbleiben (vgl. Zivilkammer GE 1999, 1357). Da eine Minderung kraft Gesetzes eintritt, bedarf es angesichts der Minderung des Mieters auch nicht der Zustimmung des Vermieters. Sein bloßes Schweigen kann nicht als Einverständnis gewertet werden. Auch im Hinblick darauf, dass es sich bei der Mietzinsforderung um einen vertraglichen Erfüllungsanspruch handelt, während das Gewährleistungsrecht eine rechtsvernichtende Einwendung darstellt, erscheint eine Gleichbehandlung nicht sachgerecht. Der Verzicht auf die Einwendung lässt sich aus der längere Zeit unterlassenen Geltendmachung durchaus entnehmen, den Verzicht auf einen vertraglichen Erfüllungsanspruch aus der längerer Zeit fehlenden Mahnung zu schließen, führte zu dem Ergebnis, dass ein Gläubiger einer vertraglichen Forderung diese regelmäßig anmahnen müsste, um sie nicht zu verlieren (Landgericht GE 2002, 1125).
Aus dem Verhalten der Parteien lässt sich schließlich auch keine vertragliche Abrede dahingehend entnehmen, dass der Mietzins im Hinblick auf Mängel dauerhaft gemindert sein soll. Auch hier fehlt es an Erklärungen oder zumindest an entsprechendem Verhalten auf der Klägerseite, das über bloßes Untätigsein hinausgeht.
Für die Monate Oktober 1998 bis Mai 1999...