Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung einer Gemeindewohnung. zum berechtigten Interesse der Gemeinde an der Beendigung des Mietverhältnisses
Orientierungssatz
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht (WuM)
1. Der Mieter kann im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses nicht rügen, daß der städtebaulichen Maßnahme, die zum Abriß des Wohnhauses führen soll, kein Planungsverfahren zugrunde liegt.
2. Die Gemeinde als Vermieterin hat ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses, wenn der Abriß des Hauses zur Ausführung einer sinnvollen Verkehrsberuhigung erforderlich ist.
3. Entscheidet diese Gemeinde über die Abrißgenehmigung, braucht die Genehmigung zum Zeitpunkt der Kündigung nocht nicht erteilt zu sein.
4. Die Kündigung eines Mietverhältnisses in einem städtischen Wohnhaus ist ein Geschäft der laufenden Verwaltung, das vom Stadtdirektor vorzunehmen ist.
(von der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofes)
5. Zitierung: Vergleiche BayObLG München, 1980-11-21, Allg Reg 83/80, WuM 1981, 32 und OLG Frankfurt, 1981-03-06, 20 RE Miet 1/80, WuM 1981, 127.
Tatbestand
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
Die Klägerin, die Stadt O., hat das Haus E.-Straße in O. zum Eigentum erworben. In diesem Hause wohnen die Beklagten auf der Grundlage eines Mietvertrages v. 1.1.1986 in der im ersten Obergeschoß gelegenen Wohnung.
Die Klägerin verlangt von den Beklagten Räumung der innegehaltenen Wohnung und der Garage. Sie hat bereits im Jahre 1987 mehrfach gegenüber dem Beklagten die Kündigung ausgesprochen. Unter dem 4.12.1987 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis der Parteien erneut. Die Beklagten haben dem 14.12.1987 der Kündigung widersprochen.
Hintergrund des Kündigungsrechtsstreits der Parteien ist, daß die Klägerin das Grundstück, auf welchem die Beklagten wohnen, in eine neue Trassenführung einbeziehen will und dazu das Haus abreißen möchte. Am 13.12.1985 hatte nämlich der Rat der Klägerin beschlossen, eine Verkehrsberuhigung durchzuführen. Unter dem 23.4.86 erklärte der Stadtrat die Absicht, die geplante Verkehrsberuhigung tatsächlich durchzuführen, sofern über den Regierungspräsidenten Landesmittel zur Verfügung gestellt würden. Solche Mittel hat der Regierungspräsident im Rahmen der Städtebauförderung am 16.5.1986 zugesagt. Daraufhin stimmte am 7.7.1987 der Rat der Klägerin einer Verschwenkung der E.-Straße zu. Nach den Planungen der Klägerin muß infolge der Verschwenkung der Trassenführung das Haus E.-Straße abgerissen werden.
Die Klägerin macht geltend, daß nach allen ihren Planungen ein Abriß des Hauses E.-Straße erforderlich ist, um eine vernünftige Verkehrsberuhigung und planerisch sachgerechte Straßenführung zu ermöglichen. Das öffentliche Interesse der Allgemeinheit an einer sachgerechten Verkehrsplanung und Verkehrsführung sowie an einer Beruhigung der Innenstadt habe ein so erhebliches Gewicht, daß dementsprechend die Kündigung des Mietverhältnisses gegenüber den Beklagten gerechtfertigt sei. Die Kündigung sei den Beklagten aufgrund ihres Lebensalters und ihrer Lebensstellung auch zuzumuten.
Die Beklagten machen u.a. geltend, daß die Kündigung aus formellen und materiellen Gründen unzulässig sei. Zum einen reiche die Vollmacht des Stadtdirektors zur Kündigung nicht aus. Vielmehr sei erforderlich, daß nach der Gemeindeordnung des Landes Nordrhein-Westfalen der Rat der Stadt O. über die Kündigung des Mietverhältnisses entscheidet.
In der Sache selbst machen die Beklagten geltend, daß die Kündigung sachlich nicht gerechtfertigt sei. Es seien sehr wohl Lösungsmöglichkeiten zur Verkehrsberuhigung und zur neuen Anbindung der E.-Straße denkbar, bei denen das Haus nicht abgerissen werden müßte. Es sei Aufgabe der Klägerin Wege zu finden, die allen beteiligten Belangen Rechnung tragen. Im übrigen müßten die Beklagten behaupten, daß die Klägerin andere Planungen verfolge, als wie sie in der bisherigen öffentlichen Diskussion angesprochen worden seien und wie sie in den Ratsbeschlüssen niedergelegt seien.
Schließlich machen die Beklagten geltend, daß die Kündigung nicht gerechtfertigt sei. Ihnen und ihrer am 9.11.1977 geborenen Tochter sei ein Umzug nicht zumutbar. Die Beklagten hätten ihren Lebensmittelpunkt im Bereich um die E.-Straße aufgebaut. Eltern und Geschwister wohnten in unmittelbarer Nähe; die Tochter müßte einen Schulwechsel vornehmen; darüber hinaus weisen sie darauf hin, daß der Mietzins, den sie zur Zeit zahlen, so ausgesprochen günstig ist, daß sie vergleichbare Wohnverhältnisse in O. zu dem gegebenen Mietzins nicht finden würden.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Beklagten ist in der Sache nicht begründet.
A. Zulässigkeit der Klage
Die Klägerin hat im vorliegenden Fall eine Klage auf künftige Räumung, nämlich zum 31.12.1988, erhoben. Gemäß § 259 ZPO ist die Klage auf künftige Leistung aber unbedenklich, da die Beklagten vorprozessual mehrfach zu erkennen gegeben haben, daß sie zum 31.12.1988 nicht ausziehen würden.
B. Begründetheit der Klage
I. Formelle Voraussetzungen der Kündigu...