Tenor
Der Angeklagte ist der Untreue in 62 Fällen schuldig.
Er wird deswegen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Angeklagte.
Angewendete Vorschriften:
§ 263 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 Alt. 1, § 266 Abs. 1, Abs. 2, §§ 52, 53 StGB
Tatbestand
I.
Der Angeklagte G war bis 2014 mehr als 25 Jahre lang als selbständiger Verwalter von Wohnungseigentümergemeinschaften in L tätig. Mit mehreren Mitarbeitern verwaltete er über 100 Wohnungseigentumsgemeinschaften. Wirtschaftlich war er jedoch nicht erfolgreich: Seit 2005 erzielte er mit seinem Unternehmen nur einen geringen Gewinn von durchschnittlich 12.000 EUR (vor Steuern) im Jahr. Um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, missbrauchte er deshalb seine alleinige Verfügungsberechtigung über die Giro- und Sparkonten der Wohnungseigentümergemeinschaften, indem er über Jahre hinweg heimlich und unberechtigt Überweisungen von diesen Bankkonten auf sein privates Bankkonto bei der Tkasse L2C mit der Nummer … (im Folgenden: Privatkonto) veranlasste und die überwiesenen Gelder verbrauchte.
Im Laufe der Zeit reichte es nicht mehr aus, nur auf die Instandhaltungsrücklagen zuzugreifen, die aktuell von den Wohnungseigentümergemeinschaften nicht benötigt wurden und deren Veruntreuung daher nicht auffiel. Vielmehr ließ der Angeklagte auch Gelder von den Girokonten der Wohnungseigentümergemeinschaften auf sein Privatkonto überweisen, welche für die laufenden Ausgaben im Wirtschaftsjahr vorgesehen waren. Damit diese Entnahmen nicht auffielen, sorgte der Angeklagte dafür, dass trotz seiner Entnahmen die Girokonten der Wohnungseigentümergemeinschaften nicht „ins Soll” gerieten und Rechnungen nicht unbezahlt blieben. Dies erreichte er dadurch, dass er die Liquidität der Wohnungseigentümergemeinschaften über sein Privatkonto bündelte: Sobald bei Wohnungseigentümergemeinschaften Ausgaben anstanden, überwies er vorübergehend nicht benötigte Gelder anderer Wohnungseigentümergemeinschaften auf sein Privatkonto und von dort zum Bestreiten der Ausgaben auf die Girokonten der besagten Wohnungseigentümergemeinschaften.
Allein für das Jahr 2013 hat die Staatsanwaltschaft insgesamt 459 Überweisungen von Girokonten der Wohnungseigentümergemeinschaften (die Sparkonten waren im Jahre 2013 bereits weitgehend aufgelöst) auf das Privatkonto des Angeklagten ermittelt und diese Überweisungen als jeweils selbständige Fälle zum Gegenstand der hiesigen Anklage gemacht. Wegen der Vorjahre führt die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen fort.
Wegen der Erkrankung des Angeklagten und der dadurch bedingten Ungewissheit, ob das Verfahren insgesamt zum Abschluss gebracht werden kann, hat die Kammer in der Hauptverhandlung einige Fälle zur gesonderten Entscheidung abgetrennt und den Angeklagten – nach Zusammenfassung einiger der abgetrennten Fälle der Anklage zur Tateinheit (siehe dazu unten) – durch Urteil vom 30.03.2018 wegen Untreue in 66 tatmehrheitlichen Fällen mit einem Gesamtschaden von 596.400 EUR zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt (29 KLs 2/18). Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, weil der Angeklagte dagegen Revision eingelegt hat.
Gegenstand des hiesigen Urteils sind – nach Einstellung der restlichen Fälle der Anklage nach § 154 StPO – nunmehr weitere 62 tatmehrheitliche Fälle der Untreue.
Auch hier hat die Kammer einige Fälle der Anklage zur Tateinheit zusammengefasst. Wie auch im Urteil vom 30.03.2018 ist dies darin begründet, dass der Angeklagte einige Überweisungen, die nach der Anklage als tatmehrheitliche Fälle angeklagt waren, als Sammelüberweisungen veranlasst hat. Mit diesen wurden die Gelder von den Girokonten mehrerer Wohnungseigentümergemeinschaften mit einem einzigen Auftrag des Angeklagten auf das Privatkonto des Angeklagten transferiert. Die der Sammelüberweisung zugehörigen einzelnen Überweisungen stellen daher nach Ansicht der Kammer eine einheitliche Tat im Sinne von § 52 StGB dar, auch wenn davon die Bankkonten mehrerer Wohnungseigentümergemeinschaften betroffen waren.
Soweit der Angeklagte hingegen Überweisungen außerhalb von solchen Sammelüberweisungen veranlasst hat, beruhten diese – auch wenn sie am gleichen Tag erfolgten – nach der Überzeugung der Kammer jeweils auf einem eigenen, neuen Tatentschluss, da das Computerprogramm, welches der Angeklagte für die Überweisungen nutzte, zeitgleich oder kurz hintereinander veranlasste Überweisungen ansonsten zu einer Sammelüberweisung zusammengefasst hätte. Sie stehen daher zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit (§ 53 StGB).
Ersichtlich hat der Angeklagte sich im Jahre 2013 teilweise mehrfach pro Tag mit Liquiditätslücken bei den Wohnungseigentümergemeinschaften befassen müssen und mehrfach pro Tag Gelder der Wohnungseigentümergemeinschaften über sein Privatkonto letztendlich dorthin transferiert, wo er es aktuell benötigte, um die anstehenden Ausgaben zu decken und seine vorangegangenen Veruntreuungen zu verschleiern.
Entscheidungsgründe
II.
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