Entscheidungsstichwort (Thema)
HWS-Distorsion geringe Anstoßgeschwindigkeit
Leitsatz (amtlich)
Die lediglich psychisch vermittelte Kausalität zwischen einem Anstoß und einer HWS-Distorsion kann bei einem Bagatellunfall, d.h. einem Unfall mit geringer Anstoßintensität und geringen Auswirkungen, grundsätzlich nicht dem Unfallgegner zugerechnet werden. Es handelt sich insoweit um eine Verwirklichung des allgemeinen Lebensrisikos.
Normenkette
ZPO §§ 287, 286
Verfahrensgang
AG Bonn (Entscheidung vom 24.09.2003; Aktenzeichen 7 C 319/02) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Bonn vom 24.09.2003, Az.: 7 C 319/02 AG Bonn, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Die Kläger begehrt Schmerzensgeld sowie Ersatz von Haushaltshilfekosten im Zusammhang mit einem Verkehrsunfall, der sich am 31.12.2001 gegen 12.30 Uhr in C auf der L Straße ereignet hat. Die Haftung der Beklagten für die Unfallschäden ist dem Grunde nach unstreitig.
Die Klägerin behauptet, sie habe bei dem Unfall eine HWS-Distorsion erlitten; sie sei infolgedessen bis zum 14.01.2002 arbeitsunfähig gewesen und habe weitere 2 Monate unter Beschwerden gelitten.
Das Amtsgericht hat zur Frage der Anstoßintensität Beweis erhoben durch Einholung eines unfallanalytischen Sachverständigengutachens. Es hat sodann die auf Zahlung von 1.124,00 - nebst Zinsen gerichtete Klage in vollem Umfang abgewiesen und dies damit begründet, dass die Klägerin nicht den ihr obliegenden Beweis geführt habe, dass der Unfall für die behaupteten Verletzungen ursächlich geworden sei.
Mit der Berufung wiederholt und ergänzt die Klägerin ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie rügt, dass das Amtsgericht ihrem Antrag auf Vernehmung des erstbehandelnden Arztes sowie auf Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens nicht entsprochen habe. Die Beklagten beantragen unter Verteidigung des erstinstanzlichen Urteils und unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens die Zurückweisung der Berufung.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im Urteil des Amtsgerichts Bonn vom 24.09.2003 sowie auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
II.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere fristgerecht und den Anforderungen des § 513 ZPO entsprechend begründet worden. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg, da das Amtsgericht zu Recht die Klage in vollem Umfang abgewiesen hat.
Das Amtsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin die volle Beweislast für das Vorliegen der Primärverletzung sowie die haftungsbegründende Kausalität trägt, § 286 ZPO. Die Beweiswürdigung des Amtsgerichts, der zufolge die Klägerin die Ursächlichkeit des Unfalls für die behaupteten Beschwerden nicht nachgewiesen hat, ist nicht zu beanstanden.
Allerdings ist der Bericht des erstbehandelnden Arztes Dr. N vom 20.02.2002 nach Auffassung der Kammer durchaus geeignet, Beweis für das Vorliegen einer HWS-Distorsion und damit einer Körperverletzung zu erbringen. Er beruht zwar wesentlich auf den subjektiven Angaben der Patientin bezüglich ihrer Schmerzen und Beschwerden, enthält aber darüber hinaus auch objektive Befunde ("inspektorisch aufgehobene Halslordose"; "erhebliche Steilstellung" der HWS). Der Beweiswert des Berichts wird nicht dadurch geschmälert, dass die Klägerin im Verlauf des Verfahrens ihre Angaben zum Zeitpunkt der Erstuntersuchung korrigiert hat, denn der Arzt selbst gibt an, dass die erste Untersuchung am 31.12.2001 stattgefunden habe, die nächste Untersuchung einschließlich Röntgenuntersuchung sodann am 04.01.2002. Eine zusätzliche Vernehmung des Arztes war insoweit entbehrlich.
Das Amtsgericht ist jedoch rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Klägerin jedenfalls die Kausalität zwischen Unfallereignis und Primärverletzung nicht bewiesen hat.
Zwar geht die Kammer davon aus, dass es keine schematische Grenze für die Kollisionsgeschwindigkeitsdifferenz gibt, bei deren Unterschreiten eine HWS-Distorsion generell ausgeschlossen ist. Aus der jüngsten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur sog. Harmlosigkeitsgrenze (BGH VersR 2003, 474) läßt sich jedoch ebenso wenig folgern, dass statt dessen bei jeder noch so geringfügigen Anstoßgeschwindigkeit ein Anschein für eine Kausalität spricht oder dass die Beweislast generell umgekehrt wird. Immerhin sprechen mehrere gerichtsbekannte biomechanische Untersuchungen dagegen, dass es einen solchen regelmäßigen Kausalzusammenhang bei geringer Aufprallgeschwindigkeit gibt. Es verbleibt daher dabei, dass die Klägerin die volle Beweislast für die haftungsbegründende Kausalität trägt (vgl. auch KG Berlin NJW 2000, 877; OLG Hamm NJW 2000, 878; LG Osnabrück VersR 2000, 1516, a.A. LG Heidelberg DAR 1999, 75). Insoweit ist jedoch eine einzelfallbezogene Betrachtung geboten, bei der eine Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände (Unfallsituation, ärztliche Diagnosen, zeitlicher Zusammenhang etc.) vorzunehmen ist.
Die einzelnen zu berücksichtig...