Leitsatz (amtlich)
Die Verkehrsunfallflucht des Versicherungsnehmers begründet nicht ohne weiteres die Annahme einer arglistigen Obliegenheitsverletzung.
Der Kausalitätsgegenbeweis ist geführt wenn keine realistischen Anhaltspunkte für eine teilweise Leistungsfreiheit besteht.
Verfahrensgang
AG Rheinbach (Entscheidung vom 09.03.2012; Aktenzeichen 5 C 27/11) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Rheinbach vom 09.03.2012 - 5 C 27/11 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits der 1. und 2. Instanz trägt die Klägerin.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckenden Betrags abwenden, soweit nicht die Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin macht gegen die Beklagte als Alleinerbin und Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes Dr. N eine Regressforderung geltend im Zusammenhang mit einem von diesem am 01.12.2009 um 16:20 Uhr verursachten Verkehrsunfall, nach welchem er sich von der Unfallstelle entfernte.
Die Klägerin war zum Unfallzeitpunkt Haftpflichtversicherer des PKW der Marke N2 ($$ - && ####), deren Halterin die Beklagte war. Der Ehemann der Beklagten verursachte mit dem Fahrzeug zum genannten Zeitpunkt auf der I-Straße in C einen Verkehrsunfall, indem er mit dem Fahrzeug beim Vorbeifahren infolge Unachtsamkeit gegen das geparkte Fahrzeug der Marke N2 ($$ - %% ###) des Herrn K fuhr und dieses an der vorderen linken Fahrzeugecke beschädigte. Der Ehemann der Beklagten verließ mit dem von ihm geführten Fahrzeug nach dem Unfall die Unfallstelle und meldete den Unfall zunächst auch nicht bei der Polizei, wobei im Einzelnen zwischen den Parteien streitig ist, inwieweit sich der Ehemann der Beklagten vor Ort bemühte, den Halter bzw. Fahrer des von ihm beschädigten Fahrzeugs zu ermitteln und Feststellungen zu ermöglichen. Die Zeugin G beobachtete den Unfall, schrieb das Kennzeichen des vom Ehemann der Beklagten geführten Fahrzeugs auf einen Zettel und heftete diesen Zettel unter den Scheibenwischer des beschädigten Fahrzeugs des Herrn K, woraufhin dieser den Unfall bei der Polizei meldete. Die Polizei ermittelte als Halterin des unfallverursachenden Fahrzeugs die Beklagte und lud diese zur Anhörung in der Angelegenheit vor. Daraufhin meldete sich der Ehemann der Beklagten am 11.12.2009 bei der Polizei und gab sich als Fahrer und Unfallverursacher zu erkennen. Zwischenzeitlich hatte die Zeugin G bereits eine auf den Ehemann der Beklagten passende Personenbeschreibung des Fahrers bei der Polizei abgegeben. Der Ehemann der Beklagten führte das Fahrzeug der Beklagten sodann bei der Polizei vor. Diese stellte fest, dass auch am Fahrzeug der Beklagten eine Anstoßstelle vorhanden war, die in Art und Anstoßhöhe mit dem Schaden am Fahrzeug des Herrn K kompatibel war, wobei der Ehemann der Beklagten diesen Bereich am Fahrzeug der Beklagten bereits mit Politur gereinigt hatte.
Die Klägerin, nach deren Auffassung der Ehemann der Beklagten eine vorsätzliche Unfallflucht i.S.v. § 142 StGB und damit eine Obliegenheitsverletzung nach § 28 Abs. 2, 3 VVG begangen habe, behauptet folgendes:
Der Ehemann der Beklagten habe den erheblichen Fremdschaden am vorderen Kotflügel und Stoßfänger erkannt, habe sich entfernt, ohne zuvor die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen, und habe, bevor er als Unfallverursacher habe ermittelt werden können, die Unfallspuren an seinem Fahrzeug beseitigt. Sie habe folgende auf den Unfall zurückzuführende Regulierungsaufwendungen gehabt:
Reparaturkosten |
1.777,49 € |
Sachverständigenkosten |
409,18 € |
Kostenpauschale |
25,00 € |
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Insgesamt |
2.211,67 € |
Der Ehemann der Beklagten lehnte mit einem am 03.11.2010 der Klägerin zugestellten anwaltlichen Schreiben eine Regresszahlung ab.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.275,93 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.11.2010 zu zahlen.
Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass ihr Ehemann sich nicht unerlaubt vom Unfallort entfernt habe und keine Obliegenheitsverletzung begangen habe. Sie behauptet, es habe lediglich eine leichte Berührung der Fahrzeuge gegeben. Ihr Ehemann sei sofort ausgestiegen und habe einen minimalen Streifen am geparkten Fahrzeug festgestellt. Er habe kein Handy und auch nichts zu schreiben dabei gehabt, um eine Nachricht zu hinterlassen. Er sei dann sogar in das Gebäude gegangen, vor dem das beschädigte Fahrzeug geparkt war, um nach dem Fahrer zu fragen. Inzwischen habe sich in der schmalen Einbahnstraße hinter ihm eine Autoschlange gebildet, so dass er - zur Beseitigung der Verkehrsblockade - habe wegfahren müssen. Nachdem er nach einer Fahrt um den Block wieder zurückgekommen sei, sei das beschädigte Fahrzeug ...