Leitsatz (amtlich)
Dem Insolvenzverwalter obliegt bei Bejahung eines Aussonderungsrechts die Verpflichtung, den Aussonderungsgegenstand (hier sog. on – board – units – Mauterfassungsgeräte –) derart bereit zu stellen, dass seine Abholung am Ort der Verwahrung gewährleistet ist.
Verfahrensgang
AG Bonn (Urteil vom 27.07.2006; Aktenzeichen 3 C 91/06) |
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 950,04 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.01.2006 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits I. und II. Instanz hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Rz. 1
Von einer zusammenhängenden Darstellung der maßgeblichen tatsächlichen Feststellungen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) sieht die Kammer gemäß den §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO ab, weil ein Rechtsmittel gegen dieses Urteil oder gegen die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision offensichtlich unzulässig wäre (§§ 543 Abs. 1, 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO).
Entscheidungsgründe
Rz. 2
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Rz. 3
Es bedarf im Ergebnis keiner Entscheidung des Berufungsgerichts über die im Streit befindliche Frage, ob das an die Klägerin gerichtete Schreiben des Beklagten vom 11.11.2005 (Bl. 20 f. GA) als Auftrag oder als Angebot anzusehen ist, einen Werkvertrag über den Ausbau der on-board-units (Mauterfassungsgeräte) aus den mautpflichtigen Fahrzeugen der Schuldnerin abzuschließen. Der Beklagte haftet im Streitfall für die Erstattung der der Klägerin durch den Ausbau entstandenen Kosten aus der Rechnung der Firma L und D in Höhe von 950,04 EUR aus den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 677, 683 Abs. 1 BGB.
Rz. 4
Bei den im Eigentum der Klägerin stehenden on-board-units handelte es sich unstreitig um Aussonderungsgut, das sich im Besitz des Insolvenzschuldners bzw. des Beklagten befand. Mit dem Ausbau der Geräte aus den Fahrzeugen des Schuldners hat die Klägerin willentlich ein für sie fremdes und im Interesse des Beklagten stehendes Geschäft für diesen getätigt. Im Rahmen des § 47 Satz 2 InsO bestand bei der Geltendmachung des Aussonderungsrechts durch die Klägerin die Verpflichtung des Beklagten als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin, die Aussonderungsgegenstände zur Abholung bereitzustellen (vgl. Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl. [2003], § 47 Rdnr. 100). Zwar ist der Insolvenzverwalter insoweit nicht verpflichtet, den Aussonderungsgegenstand an den Berechtigten – hier die Klägerin – zu versenden. Ihm obliegt bei Bejahung des Aussonderungsrechts jedoch die Verpflichtung, den Gegenstand derart bereitzustellen, dass seine Abholung am Ort der Verwahrung gewährleistet ist (vgl. BGH NJW 1988, 3264 zu § 43 KO; Uhlenbruck, a.a.O.; MüKoInsO-Ganter [2001], § 47 Rdnr. 463 f.; Kübler/Prütting, InsO, Loseblatt Stand: 11/2006, § 47 Rdnr. 81; Hess/Weis/Wienberg, InsO, 2. Aufl. [2001], § 47 Rdnr. 313 f.). Das Bereitstellen im Sinne von § 47 InsO entspricht der Herausgabe nach § 985 BGB, so dass die bloße Duldung der Wegnahme durch den Berechtigten für die Pflichterfüllung des Insolvenzverwalters nicht ausreicht (vgl. zur Differenzierung: BGH a.a.O. unter Bezugnahme auf Motive III, S. 398 ff.: Bereitstellung der Sachen „in den Bereich der unmittelbaren Wahrnehmung und möglichen Apprehension”).
Rz. 5
Soweit der Beklagte mit der Berufung auf etwaige Parallelen zum Mietrecht abstellt und hieraus für ihn günstige Schlüsse ziehen will, vermag die Kammer dem nicht zu folgen.
Rz. 6
Der Duldungsanspruch im Rahmen des § 258 Satz 2 BGB ist nicht als Minus zum Herausgabeanspruch nach § 985 BGB zu bewerten, sondern stellt in jeder Hinsicht ein eigenständiges Recht dar. Der Gegner des Herausgabeanspruchs schuldet die Verschaffung des unmittelbaren Besitzes, welche von der Duldung zur Wegnahme zu unterscheiden ist. Mit der Forderung der Herausgabe wird dem Vermieter die Aufgabe zugewiesen, die eingebauten Sachen aus ihrem Verband zu lösen und dem Mieter zu übergeben (vgl. RGZ 109, 128 [129]). Hingegen umfaßt das davon zu unterscheidende Wegnahmerecht des Mieters aus § 539 Abs. 2 BGB bzw. das Recht auf Gestattung der Wegnahme nach § 258 Satz 2 BGB eine eigene Trennungsbefugnis des Mieters sowie eine dingliche Aneignungsbefugnis für den Fall, dass die Einrichtung wesentlicher Bestandteil der Hauptsache und damit Eigentum des Vermieters geworden ist (vgl. BGHZ 101, 37 [42]; OLG Düsseldorf NZM 1999, 668; Palandt-Weidenkaff, a.a.O., § 539 Rdnr. 10 und Palandt-Heinrichs, a.a.O., § 258 Rdnr. 2).
Rz. 7
Der Zinsanspruch für die der Höhe nach nicht bestrittene Hauptforderung ergibt sich aus §§ 280, 286 Abs. 3 Satz 1 BGB.
Rz. 8
Fundstellen
NZI 2007, 728 |
NZI 2008, 10 |
ZInsO 2011, 2336 |