Normenkette
BGB § 123 Abs. 1, § 305 c Abs. 1
Verfahrensgang
AG Bonn (Entscheidung vom 20.04.2012; Aktenzeichen 104 C 519/11) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Bonn vom 20.04.2012 (104 C 519/11) abgeändert und der Hauptsachetenor wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um die Bezahlung eines Eintrags der Beklagten in ein von der Klägerin im Internet betriebenes Ärzteverzeichnis.
Im Juli / August 2010 übersandte die Klägerin der Beklagten ein mit "E Ärzteverzeichnis" überschriebenes Formular. In den Betreffzeilen dieses Formulars heißt es in fettgedruckter Schrift: "Eintragungsantrag und Korrekturabzug" sowie "Änderungen kostenlos". Es folgt dann ein Feld, in dem seitens der Klägerin Daten des Adressaten voreingetragen werden. Dem Adressaten wird angetragen, diese Daten zu "prüfen und ergänzen". In einer daneben angeordneten Spalte ist - ebenfalls durch Fettdruck hervorgehoben - ein "Eintragungszeitraum von 2010 bis 2013" angegeben. In einem mit "Beachten Sie folgenden Hinweis" überschriebenen, drucktechnisch nicht hervorgehobenen Sternchenzusatz heißt es, die Daten würden unter der Adresse [Internetlink] veröffentlicht, und zwar zu einem Preis von 43,00 EUR netto monatlich.
Die Beklagte nahm in den dafür vorgesehenen Feldern des Formulars Eintragungen vor, unterzeichnete es am 02.08.2010 und schickte es an die Klägerin zurück. Die Klägerin meint, die Beklagte habe damit eine kostenpflichtige Eintragung in das Ärzteverzeichnis beauftragt. Mit der Klage macht sie die Zahlung für 12 Monate, d.h. 516,00 EUR zzgl. Mehrwertsteuer, geltend.
Die Beklagte hält dem entgegen, sie habe den Vertrag mit Schreiben vom 15.12.2010 wirksam angefochten. Die Klägerin habe bewusst verschleiert, dass mit dem Ausfüllen und Unterzeichnen des Formulars eine verbindliche Willenserklärung mit einer Kostenfolge abgegeben werde. Sie meint, die Klägerin habe arglistig getäuscht.
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
II.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist auch begründet. Das angegriffene Urteil beruht auf einer fehlerhaften Anwendung des materiellen Rechts. Entgegen der Annahme des Amtsgerichts liegen die Voraussetzungen einer arglistigen Täuschung im Sinne des § 123 Abs. 1 BGB vor. Aufgrund der Anfechtungserklärung der Beklagten vom 15.12.2010 ist der Vertrag von Anfang an nichtig, § 142 Abs. 1 BGB. Zudem ist die in dem Formular enthaltene Entgeltklausel überraschend im Sinne des § 305c Abs. 1 BGB und damit unwirksam.
1.
Die Gestaltung des von der Klägerin genutzten Formulars lässt den sicheren Schluss zu, dass die Klägerin die Kostenpflichtigkeit des Angebots bewusst verschleiert und dadurch arglistig getäuscht hat.
a)
Die Voraussetzungen einer Täuschung im Sinne des § 123 Abs. 1 BGB liegen vor, wenn durch positives Tun oder durch pflichtwidriges Unterlassen bei dem Geschäftspartner ein Irrtum erregt oder unterhalten und dadurch die Willensentschließung des Geschäftspartners beeinflusst wird (vgl. Staudinger/Singer, BGB, Neubearb. 2011, § 123 Rn. 11). Das Verhalten des Täuschenden muss geeignet sein, bei dem Geschäftspartner eine Fehlvorstellung hervorzurufen und dadurch die Abgabe einer Willenserklärung zu erwirken, die andernfalls nicht abgegeben würde (vgl. LG Hamburg, Urt. v. 14.01.2011, 309 S 66/10 [[...], Rn. 50]). Arglistig handelt der Täuschende dabei, wenn er die Entwicklung oder Aufrechterhaltung einer Fehlvorstellung und deren Einfluss auf die Willensentschließung zumindest billigend in Kauf nimmt (vgl. Staudinger/Singer, BGB, Neubearb. 2011, § 123 Rn. 47).
b)
Die Klägerin hat in diesem Sinne arglistig getäuscht. Dies ergibt sich ohne Weiteres aus der Gestaltung des von ihr verwendeten Formulars. Die Aufmachung und die Formulierung des Formulars sind objektiv geeignet und subjektiv dazu bestimmt, eine Fehlvorstellung über den tatsächlichen Inhalt des Formulars und dessen Bedeutung hervorzurufen.
aa)
Die Gestaltung des Formulars ist geeignet, einen Irrtum hervorzurufen und dadurch die Willensentschließung des Adressaten zu beeinflussen.
Zwar wird in der ersten Betreffzeile des Formulars der Begriff "Eintragungsantrag" verwendet, aus Sicht eines objektiven Empfängers (§§ 133, 157 BGB) lässt dies allein aber nicht den Schluss zu, es handele sich um ein Angebot zum Abschluss eines kostenpflichtigen Vertrags. Der Begriff des Antrags lässt aus Sicht der durchschnittlichen Bevölkerung schon nicht den zuverlässigen Schluss zu, es solle ein Vertrag geschlossen werden, denn die Bedeutung, die der Begriff des Antrags im Rechtssinne hat, entspricht nicht dem, was die durchschnittliche Bevölkerung mit diesem Begriff verbindet. Aber selbst wenn die Verwendung des Begriffs "Eintragungsantrag" hinreichend offenba...