Entscheidungsstichwort (Thema)
Gutgläubiger Eigentumserwerb an einem Vorführwagen
Leitsatz (amtlich)
Der Käufer eines Vorführwagens kann diesen auch dann gutgläubig erwerben, wenn ihm der Kraftfahrzeugbrief nicht vorgelegen hat.
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin den Kraftfahrzeugbrief zu dem Pkw Citroen Evasion 2,0 T. CT SX, Fahrgestell Nr. ... herauszugeben.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 21.000,-- DM vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin ist die Leasinggesellschaft der S.. Die Beklagte ist eine Konzernbank der Autofirmen Citroen und Peugeot.
Die Klägerin hat am 28. 05./07. 06. 1996 mit der Firma H. S. einen Leasingvertrag über den im Kfz. Brief genannten Pkw abgeschlossen. Zur Erfüllung dieses Vertrages erwarb die Klägerin das entsprechende Fahrzeug bei der Firma Autohaus G. GmbH in M.. Es handelte sich dabei um einen auf die Firma Autohaus G. GmbH zugelassenen Vorführwagen. Zwischen der Klägerin und dem Autohaus G. GmbH war vereinbart, daß das Fahrzeug an den Leasingnehmer, die Firma S., auszuliefern sei und der Fahrzeugbrief nur an die Stadtsparkasse M., T.-Ring, M., ausgehändigt werden dürfe.
Die Auslieferung an den Leasingnehmer S. erfolgte am 26.07.1996 (vgl. Kopie der Abnahmeerklärung Bl.7 d.A.). Die Klägerin zahlte daraufhin den Kaufpreis von brutto 42.294,01 DM an das Autohaus G. GmbH.
Der Kraftfahrzeugbrief lag zum Zeitpunkt der Zahlung der Klägerin nicht vor. Trotz mehrfacher Anmahnung wurde der Brief nicht an die Stadtsparkasse M. ausgehändigt.
Zwischen der Firma Autohaus G. GmbH und der Beklagten bestand ein Rahmenfinanzierungsvertrag vom 27.10./11.11.1994, in welchem unter anderem vereinbart war, daß alle bei Citroen in Deutschland bestellten Fahrzeuge von der Beklagten finanziert werden und die Firma Autohaus G. GmbH diese Fahrzeuge der Beklagten sicherungsübereignet. Wegen der Einzelheiten des Rahmenfinanzierungsvertrages wird auf die zu den Akten gereichte Kopie verwiesen (Bl.26/27 d.A.).
Auch das Fahrzeug, das an die Firma S. ausgeliefert wurde, war von der Beklagten finanziert. Zum Zeitpunkt der Auslieferung valutierte das hierfür gewährte Darlehen noch in Höhe von 43.490,51 DM.
Am 24.09.1996 forderte die Beklagte die Firma S. auf, das Fahrzeug zur Firma G. zurückzubringen, da diese es an die Beklagte sicherungsübereignet habe.
Die Klägerin ist der Ansicht, sie habe das Fahrzeug gutgläubig erworben und sei damit alleinige Besitzberechtigte hinsichtlich des Kraftfahrzeugbriefes geworden.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin den Original- Kraftfahrzeugbrief zu dem Pkw Citroen Evasion 2,0 T. CT SX, Fahrgestell-Nr. ... herauszugeben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, die Klägerin habe das Fahrzeug nicht gutgläubig erworben, weil sie sich den Kraftfahrzeugbrief nicht habe vorlegen lassen.
Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Herausgabe des Kraftfahrzeugbriefes zu, weil sie Eigentümerin des Kraftfahrzeugbriefes ist und die Beklagte kein Recht zum Besitz dieses Briefes hat (§ 985 BGB i.V.m. § 952 BGB analog).
Die Klägerin ist gutgläubig Eigentümerin des Fahrzeuges geworden, obwohl ihr bei Übergabe des Fahrzeuges der Kraftfahrzeugbrief nicht vorgelegen hat. Die Klägerin durfte jedoch - und zwar ohne grobe Fahrlässigkeit - auf das kaufmännische Verfügungsrecht der Verkäuferin vertrauen (§ 366 HGB). Denn nach der Verkehrsauffassung handelt es sich bei einem "Vorführwagen" um einen dem Neuwagen gleichzusetzenden neuwertigen Wagen des von den Händler vertretenen Erzeugnisses, der von dem Händler nur zu Vorführzwecken benutzt worden ist. Für die Verkehrsauffassung ist es nicht von Bedeutung, ob ein solcher Vorführwagen dem Vertragshändler selbst gehört oder noch im Eigentum des Werkes oder, wie im vorliegenden Fall, im Eigentum des Finanzierungsinstitutes des Werkes steht. Denn der Käufer darf darauf vertrauen, daß der Händler auch dann, wenn sich der Lieferant/Importeur oder das Finanzierungsinstitut das Eigentum an dem Fahrzeug vorbehalten hat, dieses im normalen Geschäftsgang gegen Zahlung des Kaufpreises zu übereignen berechtigt ist. Die Nichtvorlage des Kfz. Briefes begründet in diesen Fällen jedenfalls kein grob fahrlässiges Verhalten des Erwerbers im Sinne des § 932 Abs.2 BGB.
Danach hat die Firma G. GmbH nach Maßgabe des § 366 HGB verfügt, die Klägerin hat Kraft guten Glaubens das Eigentum an dem übergebenen Fahrzeug erworben. In analoger Anwendung des § 952 BGB steht der Klägerin demnach auch das Eigentum an dem Kraftfahrzeugbrief zu.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
Fundstellen