Entscheidungsstichwort (Thema)
Beratungshilfe. Vergütung. Anrechnung. Zahlungen. Erstattungspflichtiger Gegner
Leitsatz (amtlich)
Anrechnung von Zahlungen des erstattungspflichtigen Gegners nach § 9 BerHG auf Beratungshilfevergütung in voller Höhe, und zwar unabhängig davon, ob der volle Gebührenanspruch des Wahlanwalts erreicht wird
Normenkette
RVG § 58
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Diese Entscheidung ergeht gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Die weitere Beschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
Die nach den §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 2 RVG zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das Amtsgericht die Erinnerung des Beteiligten zu 1) vom 22.11.2010 zurückgewiesen. Dessen Rechtsbehelf ist allerdings bereits unzulässig.
Mit seinem Schriftsatz vom 22.11.2010, der am darauffolgenden Tag beim Amtsgericht einging, legte der Beteiligte zu 1) "gegen die Zurückweisung des Beratungshilfeantrags vom 15.11.2010" Erinnerung ein. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Amtsgerichts erließ am 15.11.2010 indes keine anfechtbare Entscheidung. Vielmehr forderte sie den Beteiligten zu 1) an diesem Tag nur mit einem formlosen Schreiben auf, die mit Beschluss vom 16.06.2010 zu seinen Gunsten festgesetzte Vergütung der Landeskasse zu erstatten. Erst mit ihrem Beschluss vom 02.12.2010 hob sie auf die Erinnerung des Beteiligten zu 2) vom 23.10.2010 ihren Festsetzungsbeschluss vom 16.06.2010 auf, wies den Vergütungsantrag des Beteiligten zu 1) vom 08.06.2010 zurück und verpflichtete ihn, der Landeskasse die an ihn bereits ausgezahlte Vergütung in Höhe von 99,96 EUR zu erstatten.
Der Schriftsatz des Beteiligten zu 1) kann auch nicht als Erinnerung gegen den Beschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 02.12.2010 gewertet werden. Zwar können gerichtliche Entscheidungen schon angefochten werden, sobald sie existent, d.h. sobald sie aus dem inneren Geschäftsbetrieb des Gerichts herausgegeben sind; ihre Zustellung muss nicht abgewartet werden (vgl. BGH, VersR 1974, Seite 365). Als der Schriftsatz des Beteiligten zu 1) vom 22.11.2010 beim Amtsgericht einging, war die Entscheidung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle aber noch nicht existent. Sie entschied vielmehr erst am 02.12.2010 über die Erinnerung des Beteiligten zu 2).
Im Übrigen hat das Amtsgericht zu Recht angenommen, dass die Erinnerung des Beteiligten zu 1) auch unbegründet ist.
Hat der Rechtsanwalt - wie hier der Beteiligte zu 1) - vom Gegner seines Mandanten Zahlungen nach § 9 BerHG erhalten, so sind diese nach § 58 Abs. 1 RVG auf die aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung anzurechnen, und zwar unabhängig davon, ob diese Zahlungen den vollen Gebührenanspruch eines Wahlanwaltes erreichen oder nicht. Der Wortlaut des § 58 Abs. 1 RVG ist insoweit eindeutig (ebenso OLG Bamberg, Beschluss vom 16.01.2009 - 4 W 171/08 -; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 24.07.2009 - 5 W 148/09 -; OLG Celle, NJW-RR 2011, Seite 719). Etwas anderes gilt nach § 58 Abs. 2 RVG nur in den Fällen, in denen sich die Gebühren des Rechtsanwalts nach Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses bestimmen. In diesen Fällen sind Zahlungen, die der Rechtsanwalt vom Gegner seines Mandanten erhält, zunächst auf die Vergütungen anzurechnen, für die ein Anspruch gegen die Staatskasse nicht besteht. § 58 Abs. 2 RVG betrifft also keine Vergütungsansprüche, die sich ausschließlich auf Teil 1 oder 2 des Vergütungsverzeichnisses stützen. Hierzu gehören aber die Gebühren für eine Beratungshilfe nach den Nummern 2500 ff VV-RVG (vgl. OLG Celle, aaO.). Schließlich kann auch aus dem Umstand, dass in Beratungshilfefällen dem Rechtsanwalt nach § 59 Abs. 3 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 2 RVG ein Befriedigungsvorrang eingeräumt ist, nicht gefolgert werden, der Gesetzgeber habe eine Anrechnung von Zahlungen nach § 9 BerHG auf die Verfügungsforderung gegen die Staatskasse nur und erst dann anordnen wollen, wenn der Rechtsanwalt wegen der ihm gesetzlich zustehenden Gebühren und Auslagen vollständig befriedigt ist. Diese vom Landgericht Saarbrücken in seiner Entscheidung vom 08. 04. 2009 (vgl. AGS 2009, Seite 290 ff) gezogene Schlussfolgerung ist mit dem eindeutigen Wortlaut des § 58 RVG nicht in Einklang zu bringen. Sie übersieht auch, dass der Gesetzgeber dem Rechtsanwalt einer mittellosen Partei nur eine Mindestvergütung sichern will, nicht mehr (vgl. OLG Bamberg, aaO.). Schließlich scheidet hier schon deshalb eine entsprechende Anwendung des § 58 Abs. 2 RVG oder des § 59 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 RVG aus, weil es an der dafür erforderlichen planwidrigen Regelungslücke im Gesetz fehlt (ebenso OLG Bamberg, aaO., und OLG Celle, aaO.).
Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, dass die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle mit Recht auf die Erinnerung des Beteiligten zu 2) vom 23.11.2010 ihren Festsetzungsbeschluss vom 16.06.2010 aufgehoben und den Vergütungsantrag des Beteiligten zu 1) vom 08.06.2010 zurückgewiesen hat. Dem Beteiligten zu 1) steht kein Vergütungsanspruch - w...