Leitsatz (amtlich)
Eine Erstattung von Kosten eines durch den Angeklagten in Auftrag gegebenen Privatgutachtens ist bei Freispruch ausnahmsweise dann durch die Landeskasse vorzunehmen, wenn die private Ermittlung zur Gewährleistung einer sachgerechten Verteidigung zum Zeitpunkt des Gutachtenauftrags notwendig war.
Tenor
Die Beschwerde wird verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Beschwerdegegnerin werden der Staatskasse auferlegt.
Gründe
I. Gegen die Beschwerdegegnerin wurde aufgrund eines Kollisionsunfalles im Straßenverkehr ein Strafverfahren wegen des Vorwurfs der fahrlässigen Körperverletzung betrieben. Dieses wurde nach Einholung eines unfallanalytischen Privatgutachtens zunächst nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Nach einer erneuten Aufnahme des Ermittlungsverfahrens wurde im Folgenden ein weiteres Gutachten durch die Staatsanwaltschaft Detmold in Auftrag gegeben. Dieses gelangte zu gegenteiligen und für die Beschwerdegegnerin nachteiligen Feststellungen, woraufhin seitens der Staatsanwaltschaft Anklage vor dem Amtsgericht Lemgo - Strafrichter - erhoben wurde. Parallel hierzu war in einem Zivilprozess ein dritter Gutachter befragt worden, der im Ergebnis zu einer ähnlichen Einschätzung wie der Privatgutachter gelangt war. In Anbetracht der unklaren Beweislage lehnte das Amtsgericht daraufhin die Eröffnung des Hauptverfahrens ab und legte die Kosten des Verfahrens - einschließlich der notwendigen Auslagen der Angeschuldigten - der Staatskasse auf. Diese Entscheidung erwuchs nach einer Entscheidung der Kammer (4 Qs 164/10) in Rechtskraft. Im Folgenden hat das Amtsgericht die zu erstattenden Auslagen auf insgesamt 1.230,63 EUR festgesetzt. Hiervon erfasst waren unter anderem Kosten für die Einholung eines Privatgutachtens in Höhe von 295,83 EUR. Mit seiner fristgemäßen sofortigen Beschwerde wendet sich der Bezirksrevisor gegen die Kostenfestsetzung. Er macht geltend, dass der für die Einholung des Privatgutachtens aufgewendete Betrag nicht ersatzfähig sei. Zur Begründung macht er geltend, dass es sich bei den Aufwendungen für die Einholung des Privatgutachtens nicht um "notwendige" Auslagen im Sinne von § 464 a Abs. 2 StPO gehandelt habe. Die Ermittlung des Sachverhalts sei Aufgabe der Staatsanwaltschaft, auf welche die Beschuldigte durch das Stellen von Ermittlungsanträgen habe Einfluss nehmen können. Eine Ausnahme von dieser grundsätzlichen Erwägung sei in dem vorliegenden Verfahren nicht angezeigt. Die Angeschuldigte habe die prozessualen Möglichkeiten nicht ausgeschöpft, sondern schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt ein Parteigutachten in Auftrag gegeben. Die Einholung weiterer Gutachten sei insofern nicht erspart worden. Eine andere Beurteilung des Sachverhalts sei auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der "Waffengleichheit" nicht angezeigt.
Letztlich sei nicht klar, dass die Kosten des Privatgutachtens auch tatsächlich der früheren Angeschuldigten entstanden seien. Ausweislich der in der Akte befindlichen Rechnung seien die Auslagen ihrem Ehemann entstanden, dem sie durch die Rechtsschutzversicherung ersetzt worden seien. Ob diese gegenüber der früheren Angeschuldigten einen Erstattungsanspruch geltend gemacht habe, sei nicht erkennbar. II. Der zulässigen sofortigen Beschwerde bleibt der Erfolg in der Sache versagt. Bei den Kosten, welche durch die Einholung des Privatgutachtens entstanden sind, handelt es sich um notwendige Auslagen im Sinne von § 464 a StPO. Eigene private Ermittlungen sind in Anbetracht des Grundsatzes der Amtsaufklärung in der Regel nicht notwendig, die durch sie verursachten Kosten dementsprechend normalerweise nicht ersatzfähig (statt vieler Meyer-Goßner, Strafprozessordnung, 54. Auflage, § 464b RN 16). Jedenfalls in den Fällen, in denen die private Ermittlung zur Gewährleistung einer sachgerechten Verteidigung notwendig war, bedarf dieser Ausgangspunkt aber einer Einschränkung. Abzustellen ist insoweit auf eine Betrachtung ''ex ante'' aus der Sicht des/ der Angeklagten zum Zeitpunkt des Gutachtenauftrags. Vorliegend ist das Amtsgericht zu Recht vom Vorliegen einer derartigen Ausnahmekonstellation ausgegangen. Das Verfahren hatte einen in technischer Hinsicht kompliziert gelagerten Verkehrsunfall zum Gegenstand, bei dem der Feststellung des genauen Kollisionsortes entscheidende Bedeutung zukam. Die Einlassung der Beschwerdegegnerin allein war in dieser Situation nicht geeignet, eine Aufklärung des Sachverhalts zu ermöglichen, vielmehr bedurfte es insoweit weiterer Beweismittel. Um die Glaubwürdigkeit der eigenen Einlassung zu unterstreichen, lag die Einholung eines Privatgutachtens daher nahe.
Das legitime Ziel der Verteidigung, eine möglichst frühzeitige Einstellung des Verfahrens zu erreichen, wurde im Folgenden durch diesen Schritt gefördert. Dass insoweit Mehrkosten entstehen würden, musste die Beschwerdegegnerin zum Zeitpunkt der Einholung des Gutachtens zudem nicht befürchten, denn es war nicht absehbar, dass die Staat...