Verfahrensgang

AG Detmold (Urteil vom 09.05.2000; Aktenzeichen 9 C 478/99)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 9.5.2000 verkündete Urteil des Amtsgerichts Detmold abgeändert.

Es wird festgestellt, daß der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.

Die Kosten des gesamten Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 3.200 DM (Kosten bis zur Erledigung der Hauptsache) festgesetzt.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird nach § 543 I ZPO abgesehen.

 

Gründe

Die Berufung des Klägers ist zulässig und begründet.

Die Hauptsache hat sich durch den Auszug der Beklagten erledigt. Im Gegensatz zu der Beurteilung durch das Amtsgericht war nach Auffassung der Kammer die Kündigung des Mietverhältnisses durch den Kläger vom 5.5.1999 wirksam und damit die erhobene Räumungsklage bis zum Auszug der Beklagten begründet.

1. Die Kündigungserklärung vom 5.5.1999 entsprach den gesetzlichen Anforderungen. Mit dem Hinweis, daß der Kläger aus finanziellen Gründen – den sich aus dem beigefügten Schreiben der Commerzbank vom 27.4.1999 ergebenden Liquiditätsengpaß – das Grundstück verkaufen mußte und bei einer Veräußerung im vermieteten Zustand ein erheblich geringerer Kaufpreis als unvermietet zu erzielen sei, waren die Gründe für eine Kündigung nach § 564b Abs. 2 Nr. 3 BGB ausreichend dargestellt. Auf Grund dieser Angaben war die Beklagte in der Lage, ihre Rechtsposition zu beurteilen. Es ist unschädlich, daß der Kläger den vermutlichen Mindererlös mit 150.000 DM wohl wesentlich zu hoch angegeben hat. Es ist keine sichere Prognose möglich, wie hoch ein Mindererlös eines vermieteten gegenüber einem unvermieteten Einfamilienhaus sein wird.

2. Die Beweisaufnahme hat auch ergeben, daß der Kläger zur eigenen Existenzsicherung zum Verkauf des Hauses genötigt gewesen ist und bei einer Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen Verwertung des Grundstücks gehindert worden wäre und erheblichen Schaden dadurch erlitten hätte. Nach der glaubhaften Darstellung des Klägers, dass er mangels Liquidität außerstande gewesen ist, seinen Fachgroßhandel mit den notwendigen, von Kunden erwarteten Warenvorräten zu bestücken, und nach der Aussage des Zeugen … dass der Kläger mangels ausreichender Rentabilität seines Geschäftes keinen weiteren Bankkredit erhalten konnte und von der Bank ein Hausverkauf zur Rückführung bestehender Kredite erwartet wurde, ist die Verkaufsnotwendigkeit für den Kläger zur Überzeugung der Kammer bewiesen.

3. Nach der auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Kündigungserklärung zurückbezogenen Prognose war damit zu rechnen, daß ohne die Beendigung des Mietverhältnisses ein wesentlich geringerer Kaufpreis erzielt werden würde.

Der übliche Verkaufswert des (unvermieteten) Grundstücks betrug im Zeitpunkt der Kündigungserklärung nach den insoweit nicht konkret angegriffenen Ausführungen des Sachverständigen … etwa 430.000 DM und liegt damit deutlich unter den ursprünglichen Preisvorstellungen des Klägers von ca. 500.000 DM und deutlich über dem von dem Kläger schließlich erzielten Kaufpreis von 380.000 DM. Erwerber eines Einfamilienhauses wollen dieses im Regelfall selbst nutzen; der Kaufpreis richtet sich regelmäßig nach dem Substanzwert des Grundstücks und erfordert einen Kapitaleinsatz, für den durch Vermietung keine angemessene Rendite zu erzielen ist. Die atypischen Fälle, daß ein – im Zweifel dann sehr billig angebotenes – Einfamilienhaus als Renditeobjekt gekauft wird oder ein Käufer das Grundstück erst viel später beziehen will und die zwischenzeitliche Vermietung begrüßt, sind bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise zu vernachlässigen, weil solche Käufer äußerst rar sind und weil die Höhe des Kaufpreises in erster Linie von der Mehrzahl derjenigen Erwerber bestimmt wird, die das Grundstück möglichst bald selbst bewohnen wollen. Ein solcher wirtschaftlich denkender Käufer wird ein vermietetes Grundstück nur zu einem um den Nutzungsverlust und die Kosten für die Freimachung des Grundstückes und um eine Vergütung der übernommenen Mühen und eingegangenen Risiken geminderten Kaufpreis erwerben. Dabei ist oft keine sichere Vorhersage möglich, wie lange die Freimachung des Grundstücks dauern wird, ob der Mieter für die Zwischenzeit den Mietzins zahlen wird, ob eine Räumungsklage und Zwangsvollstreckung erforderlich werden, in welchem Zustand das Grundstück zurückgegeben wird und ob von dem Mieter Kostenersatz für Schäden und Renovierungen verlangt und beigetrieben werden kann. Wenn nicht sicher feststeht, wann das Grundstück für den eigenen Einzug zur Verfügung steht, muß der Käufer weiter mit Schwierigkeiten bei der Wahl des Zeitpunkts für Auflösung seines eigenen Mietverhältnisses oder den Verkauf oder die Vermietung seiner bisherigen Wohnung rechnen. Hinzu kommt, daß viele Käufer die mit der gerichtlichen Durchsetzung der Beendigung des Mietverhältnisses mit einem auszugsunwilligen Mieter verbundenen Schwierigkeiten so fürchten, daß sie allenfalls bei einem extremen Preisnac...

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