Entscheidungsstichwort (Thema)

Behandlungsfehler. Zukunftsschäden. Feststellungsinteresse

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Feststellungsinteresse liegt nicht vor, wenn der Eintritt zukünftiger Schäden bei verständiger Würdigung der Umstände unter keinem denkbaren Gesichtspunkt zu erwarten ist.

 

Normenkette

BGB § 823 Abs. 1; ZPO § 256

 

Verfahrensgang

AG Detmold (Entscheidung vom 07.09.2011; Aktenzeichen 6 C 437/09)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Detmold vom 07.09.2011 abgeändert.

Der Antrag auf Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten für zukünftige materielle Schäden der Klägerin wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen die Klägerin zu 7/10 und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 3/10 nach einem Gegenstandswert von 5.000 Euro.

Die Kosten des Rechtsstreits in zweiter Instanz trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I.

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 544 Abs. 1 S. 1 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

II.

Die zulässige Berufung hat Erfolg und führt im Umfang der Anfechtung zur Abänderung des erstinstanzlichen Urteils.

1. Die Klägerin kann als Rechtsfolge ihres Schadensersatzanspruchs gegen die Beklagten aus §§ 823 Abs. 1 BGB nicht die Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten für zukünftige materielle Schäden verlangen, denn solche Schäden sind nicht zu erwarten.

Die Kammer verkennt nicht, dass bei der Prüfung dieser Frage ein besonders hoher Maßstab anzulegen ist und das diesbezügliche Feststellungsinteresse nur dann verneint werden kann, wenn der Eintritt zukünftiger Schäden bei verständiger Würdigung der Umstände unter keinem denkbaren Gesichtspunkt zu erwarten ist (BGH, Urt. v. 20.03.2011, VI ZR 325/99, NJW 2001, S. 3414, 3415; OLG Hamm, Urt. v. 14.09.2009, 3 U 9/08, BeckRS 2010, 03280). Ein solcher Ausnahmefall ist hier jedoch gegeben:

Der Sachverständige Dr. K, dessen Ausführungen sich die Kammer nach eigener kritischer Würdigung anschließt, hat in seiner Anhörung im Termin am 18.04.2012 gut nachvollziehbar dargelegt, dass die gesundheitliche Situation der Klägerin einen sogenannten "Endzustand" erreicht habe, so dass aus medizinischer Sicht keine zukünftige Verschlechterung zu erwarten sei.

Insbesondere handle es sich bei der durchgeführten Operation entgegen der Annahme des Amtsgerichts nicht um eine Knochenverletzung oder gelenknahe Schädigung, bei der regelmäßig Folgeschäden wie z.B. eine Arthrose nicht auszuschließen seien. Zwar liege die Sehnenscheide in einem Knochenweichteilkanal und damit notwendigerweise in einer gewissen Nähe zum Knochen; von einer Schädigung des Gelenks, bei der zukünftige gesundheitliche Verschlechterungen zu erwarten wären, sei aber nur bei einer starken funktionellen Beeinträchtigung auszugehen, die hier nicht vorliege.

Die bei der Klägerin eingetretenen Beeinträchtigungen - von denen sich die Kammer im Verhandlungstermin selbst ein Bild machen konnte - seien Folgen ihrer Grunderkrankung und nicht der hier streitgegenständlichen Operation. Zukünftige Schäden am Gelenk infolge des hier durchgeführten Eingriffs seien nicht denkbar und damit ausgeschlossen. Dasselbe gelte für einen degenerativen Gelenkschaden. Daher seien auch Mehraufwendungen, die die Klägerin aufgrund ihrer jetzigen Gesundheitssituation zu tragen habe - z.B. Aufwendungen für Hilfe im Haushalt - auf die Grunderkrankung und nicht auf die Operation durch den Beklagten zu 2. zurückzuführen.

2. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10 ZPO, wobei bei der Bildung der Kostenquoten jeweils die Erhöhung des Streitwerts für den Feststellungsantrag auf 1.500,-- € zu berücksichtigen ist.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI4581679

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