Leitsatz (amtlich)
In einer Restschuld-Arbeitsunfähigkeitsversicherung reicht eine Teilarbeitsunfähigkeit zur Leistungsbegründung aus, wenn die Versicherungsbedingungen offenlassen, ob vollständige Arbeitsunfähigkeit vorliegen muss.
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.620,00 € (i. W.: viertausendsechshundertzwanzig Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus monatlich 231,00 € ab dem 15. eines jeden Monats, beginnend mit Juni 2008 und endend mit Januar 2010 zu zahlen.
Die Beklagte wird ferner verurteilt, die Klägerin von den vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 775,65 € freizustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen 3/5 die Klägerin und 2/5 die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
Die Klägerin hat bei der Beklagten zur Absicherung eines für den Ankauf eines Pkw abgeschlossenen Ratenkredits eine Restschuldarbeitsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen, der die Allgemeinen Bedingungen für die Restschuldarbeitsunfähigkeitsversicherung der Beklagten zugrunde liegen. Nach dem Kreditvertrag waren am 15.08.2005 eine erste Rate von 185,34 € sowie 84 Folgeraten von je 231,00 € von der Klägerin zu zahlen. Diese Raten sollten durch die Restschuldarbeitsunfähigkeitsversicherung abgesichert werden.
Während der Versicherungsdauer erkrankte die Klägerin an Multipler Sklerose und konnte deshalb ihren Beruf als Altenpflegerin nicht mehr ausüben. Ab dem 01.03.2007 bezieht sie eine (zunächst) bis zum 30.06.2008 befristete Rente wegen Erwerbsminderung. Diese Befristung wurde bis zum 30.06.2010 verlängert.
Die Beklagte hat die monatlichen Darlehensraten übernommen und bis einschließlich Mai 2008 an die kreditierende Bank gezahlt. Weitere Leistungen lehnte sie wegen behaupteter Berufsunfähigkeit ab. Deshalb zahlt die Klägerin seit Juni 2008 die monatlichen Raten wieder selbst an die kreditierende Bank.
Mit der Klage hat sie zunächst Zahlung der Raten von Mai 2008 bis einschließlich März 2009 an sich sowie ab April 2009 auch für die Zukunft an die kreditierende Bank verlangt. Nach teilweiser Klagerücknahme begehrt sie nunmehr noch Zahlung der von ihr an die kreditierende Bank geleisteten Raten für den Zeitraum Juni 2008 bis einschließlich Januar 2010. Sie behauptet fortbestehende Arbeitsunfähigkeit in ihrem Beruf als Altenpflegerin.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
1.
an sie 4.620,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus monatlich 231,00 € ab dem 15. eines jeden Monats, beginnend mit Juni 2008 und endend mit Januar 2010 zu zahlen,
2.
sie von außergerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 837,52 € freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bestreitet Arbeitsunfähigkeit der Klägerin und behauptet unbefristete Berufsunfähigkeit.
Das Gericht hat zur Arbeits- wie Berufsunfähigkeit ein Sachverständigengutachten eingeholt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen T vom 30.09.2009 sowie die mündliche Erläuterung des Gutachtens im Termin vom 14.01.2010, wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist bis auf eine geringe Zuvielforderung bei den vorgerichtlichen Anwaltskosten begründet.
I.
Die Klägerin kann von der Beklagten aus der bestehenden Restschuld-Arbeitsunfähigkeitsversicherung Übernahme der Ratenzahlungsverpflichtung ab Juni 2008 bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung verlangen und, da sie die Raten wegen der Leistungsweigerung der Beklagten selbst erbracht und diese insoweit von einer Verbindlichkeit befreit hat, Zahlung an sich verlangen, § 812 BGB.
1.
Die Beklagte war verpflichtet, aus der bestehenden Versicherung die Klägerin von der Ratenzahlungsverpflichtung freizustellen, da die Klägerin auch über Mai 2008 hinaus arbeitsunfähig gewesen ist und die Leistungspflicht der Beklagten nicht durch Berufsunfähigkeit endete. Denn die Parteien haben durch die abgeschlossene Restschuld-Arbeitsunfähigkeitsversicherung vereinbart, dass die Beklagte während der Versicherungsdauer die monatliche Arbeitsunfähigkeitsrente zahlt, wenn die versicherte Person arbeitsunfähig wird (§ 1 Abs. 1 der Allgemeinen Bedingungen). Nach § 1 Abs. 2 liegt Arbeitsunfähigkeit vor, wenn die versicherte Person infolge Gesundheitsstörungen die ärztlich nachzuweisen sind, außerstande ist, ihre bisherige oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die auf Grund ihrer Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann ...