Leitsatz (amtlich)

Wird gem. 3 7 I (3) AUB 95 wegen einer Vorinvalidität ein Abzug von der Gesamtinvalidität vorgenommen, kommt eine weitere Anspruchskürzung gem. § 8 AUB 95 wegen der die Vorinvalidität begründenden Gesundheitsschädigung nicht in Betracht.

 

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 12.550,00 € (i. W.: zwölftausendfünfhundertfünfzig Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.07.2010 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 837,52 € zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen 3/5 der Kläger und 2/5 die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur ge-gen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages. Der Kläger kann die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

 

Tatbestand

Der Kläger unterhielt im Jahre 2009 bei der Beklagten eine Unfallversicherung unter Geltung der AUB 95. Vereinbart war u. a. eine Invaliditätsgrundsumme von 125.000,00 € mit Progressionsstaffel 500 %. Seit seinem 17. Lebensjahr leidet der Kläger an Morbus Bechterew. Diese Erkrankung hat zu einer Versteifung der Bewegungssegmente der Wirbelsäule mit Bewegungseinschränkung der Brustwirbelsäule und der unteren Halswirbelsäule geführt. Am 09.03.2009 erlitt der Kläger einen Rodelunfall, bei dem er sich u. a. eine vollständige discoligamentäre Zerreißung im Segment C 6/7 mit Deckplattenkompressionsfraktur des 7. Halswirbelkörpers sowie Frakturen im Bereich der Gelenkfassetten und des Bogens in diesem Segment zuzog. Die Verletzung wurde zunächst mit einer Halskrause versorgt, bevor wegen der erheblichen Gefahr einer Querschnittslähmung am 13.03.2009 operativ eine ventrale Stabilisierung der Wirbelsäule mit einer Platte sowie die anschließende dorsale Versteifung der Wirbel C 6/7 mittels eines Schraube-Stab-Systems erfolgte. Nach komplikationslosem postoperativen Verlauf wurde der Kläger am 20.03.2009 in weitere ambulante Betreuung entlassen.

Er beklagt seit dem Unfall dauerhafte starke Schmerzen und Schluckbeschwerden durch die Operation und hat deshalb bei der Beklagten Invaliditätsansprüche geltend gemacht. Nach Einholung eines medizinischen Gutachtens hat die Beklagte eine unfallbedingte Invalidität von 5 % anerkannt und 6.275,00 € an den Kläger gezahlt. Dieser behauptet gestützt auf eine von ihm eingeholte ärztliche Stellungnahme eine unfallbedingte Invalidität von mindestens 30 % und begehrt Zahlung einer daraus berechneten Invaliditätsleistung.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 31.375,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.07.2010 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.307,81 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält an ihrer vorgerichtlichen Leistungsentscheidung fest und will neben einer Vorinvalidität auch die Mitwirkung des beim Kläger schon vor dem Unfall bestehenden Morbus Bechterew als Krankheit oder Gebrechen leistungsmindernd berücksichtigt wissen.

Das Gericht hat zur Höhe der Gesamtinvalidität und der unstreitigen Vorinvalidität aufgrund des Morbus Bechterew sowie der unfallbedingten Invalidität ein Sachverständigengutachten eingeholt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten der Sachverständigen I und Oberarzt S vom 24.01.2011 nebst ergänzender Stellungnahme vom 26.05.2011 sowie die mündliche Erläuterung des Gutachtens durch den Sachverständigen S im Termin vom 15.09.2011, wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Dem Kläger steht aus dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Unfallversicherungsvertrag gemäß § 178 Abs. 1 VVG, § 7 I (2) c AUB 95 ein Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung weiterer 12.550,00 € nebst Zinsen sowie gemäß § 280 BGB ein Anspruch auf die nicht anrechenbaren vorgerichtlichen Anwaltskosten zu. Denn beim Kläger ist eine unfallbedingte Invalidität von 15 % verblieben. Daraus errechnet sich, da die vereinbarte progressive Invaliditätsstaffel nicht greift, aus einer vereinbarten Versicherungsgrundsumme von 125.500,00 € eine Invaliditätsleistung von 18.825,00 €, auf die die Beklagte bereits 6.275,00 € gezahlt hat, so dass der Kläger noch Anspruch auf eine weitere Invaliditätsleistung in Höhe von 12.550,00 € hat.

1. Durch den unstreitig am 09.03.2009 erlittenen Rodelunfall mit Deckplattenkompressionsfraktur des 7. Halswirbelkörpers sowie Frakturen im Bereich der Gelenkfassetten und des Bogens in diesem Segment hat der Kläger nach den Ausführungen der durch das Gericht bestellten Sachverständigen eine unfallbedingte Invalidität von 15...

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