Entscheidungsstichwort (Thema)
Abmahnung. Anwaltshonorar. Aufklärung. Rechtsanwaltsvergütung
Leitsatz (amtlich)
Ein Rechtsanwalt ist nach Treu und Glauben verpflichtet, den Mandanten ungefragt über die voraussichtliche Höhe seiner Vergütung aufzuklären, wenn diese das vom Mandanten verfolgte Ziel (hier: Erlass bzw. Ermäßigung einer Schadensersatzforderung aufgrund einer urheberrechtlichen Abmahnung) wirtschaftlich sinnlos erscheinen lässt, weil die Kosten der anwaltlichen Vertretung (hier: 2.562,90 €) in einem krassen Missverhältnis zu dem erreichbaren wirtschaftliche Vorteil (hier: bestenfalls 750,00 €) stehen (Anschluss BGH, NJW 2007, 2332).
Die Mitteilung eines Kostenrahmens (hier: von 226,00 € bis 2.600,00 €) stellt keine ausreichende Aufklärung dar, wenn bei Beauftragung des Rechtsanwalts die Höhe der Vergütung aufgrund einer Vergütungsvereinbarung bereits feststeht.
Normenkette
BGB §§ 242, 280; RVG §§ 10, 34
Verfahrensgang
AG Mülheim a.d. Ruhr (Entscheidung vom 29.03.2012; Aktenzeichen 12 C 1134/11) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 29.03.2012 verkündete Urteil des Amtsgerichts Mülheim an der Ruhr (12 C 1134/11) teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 226,10 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.04.2011 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 91 % und die Beklagte zu 9 % zu tragen.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird Bezug genommen auf das angefochtene Urteil (Bl. 201 ff. d. A.). Im Übrigen wird von einer Darstellung des Sach- und Streitstandes gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin hat nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.
1.
Die Klägerin hat gemäß §§ 611, 612, 398 BGB i. V. m. § 34 Abs. 1 S. 3 Hs. 3 RVG, Nr. 7008 VV RVG einen Anspruch gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht der M mbH (im Folgenden "Zedentin" genannt) auf Zahlung einer Erstberatungsgebühr in Höhe von 190,00 € zuzüglich 19 % Umsatzsteuer, mithin insgesamt in Höhe von 226,10 €.
Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts berührt die inhaltliche Unrichtigkeit der mitgeteilten Vergütungsberechnung (Bl. 39 d. A.) nicht die Wirksamkeit der Mitteilung nach § 10 RVG; der Auftraggeber ist allerdings nur zur Zahlung der wirklich entstandenen Gebühren verpflichtet (vgl. Gerold/Schmidt, RVG, 19. Aufl., § 10 Rn. 15; Mayer/Kroiß, RVG, 5. Aufl., § 10 Rn. 35). Dementsprechend ist auch die von der Klägerin vorgelegte Abtretungsurkunde (Bl. 41 d. A.) dahingehend auszulegen, dass sie den tatsächlich entstandenen Vergütungsanspruch umfasst, auch wenn dieser niedriger ist als von der Zedentin berechnet.
Der ausgeurteilte Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1 S. 1, 288 BGB, da die Beklagte mit Ablauf der in dem klägerischen Schreiben vom 18.04.2011 (Bl. 46 d. A.) gesetzten Frist (29.04.2011) mit der Zahlung der berechtigten Forderung in Verzug geraten ist. Ein früherer Verzugsbeginn kommt nicht in Betracht, da das vorgenannte Schreiben nur als befristete Mahnung auszulegen ist.
2.
Ein weitergehender Vergütungsanspruch der Zedentin ist aus den vom Amtsgericht zutreffend dargestellten Gründen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen vollumfänglich Bezug genommen wird, nicht entstanden. Das Berufungsvorbringen der Klägerin rechtfertigt insoweit keine andere Beurteilung, sondern gibt lediglich Anlass zu den folgenden Ergänzungen.
Die Kammer teilt die Auffassung des Amtsgerichts, dass die Höhe der Gebühren, die die Beklagte nach der von der Zedentin vorformulierten Vergütungsvereinbarung (Bl. 30 d. A.) zu zahlen hatte, das von ihr verfolgte Ziel wirtschaftlich sinnlos machte - mit der Folge, dass die Zedentin nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) ausnahmsweise verpflichtet war, die Beklagte ungefragt über die voraussichtliche Höhe ihrer Vergütung aufzuklären (vgl. BGH, NJW 2007, 2332). Der Berufung ist zuzugestehen, dass die rechtliche Prüfung des mit der Abmahnung geltend gemachten Unterlassungs- und Schadensersatzanspruchs sowie der Rechtsfolgen, die sich aus der Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung ergeben, für die Beklagte von Interesse und insoweit auch von wirtschaftlichem Wert war. Insoweit hätte es der Zedentin freigestanden, mit der Beklagten gemäß § 34 Abs. 1 S. 1 RVG eine angemessene Vergütung zu vereinbaren. Die in der Vergütungsvereinbarung vom 14.03.2011 (Bl. 30 d. A.) vereinbarte und berechnete Vergütung nach Maßgabe der §§ 13, 14, Nr. 2300 VV RVG betrifft jedoch nicht die rechtliche Prüfung, sondern die außergerichtliche Vertretung der Beklagten gegenüber dem Anspruchsteller. Dass diese für die Beklagte aufgrund des krassen Missverhältnisses zwischen dem wirtschaftlichen Vorteil (bestenfalls Erlass der Schadensersatzforderung in Höhe...